
Paul Stänner stellt sein Agatha-Christie-Buch in Köln vor. Foto: Bücheratlas
Irgendwann gerät die Karte von Greenway House und seinem Park ins Rutschen. Doch ehe sich die erste Ecke endgültig aus der Verankerung löst, wandert Paul Stänners Zeigefinger eilig über das Papier. Hier, beim Pförtnerhäuschen, komme man auf das Gelände, erläutert er. Der Finger fährt weiter nach links, beschreibt eine Kurve und stoppt vor Agatha Christies langjährigem Domizil beim englischen Torquay: Greenway House. Ein weißes Herrenhaus mit flachem Dach und zwei Anbauten. Paul Stänner hat dort vor einiger Zeit einen denkwürdigen Abend verbracht und erfahren, was es heißt, bei Nebel in einem abgelegenen Landhaus zu dinieren. Die Atmosphäre sei „christie“ gewesen, sagt er an diesem Nachmittag in einem sonnendurchglühten Garten in Köln, wo er sein jüngstes Buch vorstellt: „Agatha Christie in Greenway House“.
Das Werk, gebunden in das blutrot gefärbte Leinen des Wagenbach-Verlags, liegt neben dem Autor auf einem Stuhl. In den Büschen hängen kleine britische Fahnen, buttrig-süße Shortbreads werden gereicht und fruchtiger „Gentleman“-Riesling. Nur 120 Seiten umfasst der Band. Und enthält dabei so viel Wissenswertes über die Lady of Crime, dass man nach der Lektüre meint, einen Mehrbänder gelesen zu haben.
Agatha Christie (1890-1976) stammt aus gutem Hause. Frederick Miller, der Vater ist ein reicher Bonvivant – sympathisch, unaufgeregt und stets bestens gelaunt. Seine Tage vertändelt er im „Royal Torbay Yacht Club“. Millers Beruf: „Gentleman“. So jedenfalls steht es in Agathas Geburtsurkunde. Als die Tochter elf Jahre alt ist, stirbt er im Alter von 55 Jahren.
Agatha Mary Clarissa Miller heiratet 1914 ein erstes Mal. Archie Christie ist ein Hallodri, wie sich bald herausstellt, und so scheitert die Ehe in den 1920ern, nachdem er Agatha mit seiner Golfpartnerin betrogen hat. Einziger Trotz für die gehörnte Ehefrau: Sie reüssiert als als Krimiautorin.

Britisches Stillleben mit Neuerscheinung Foto: Bücheratlas
Akribisch folgt Stänner Agathas Spuren in Torquay. Er besucht das „Imperial Hotel“, das in Christies Poirot-Roman „Das Haus an der Düne“ als „Majestic Hotel“ zu Ehren kommt. Wandert durch die Straßen der Stadt, durch ihren Garten und natürlich durch „Greenway House“, das heute ein Museum ist und besichtigt werden kann. Agatha diente das Herrenhaus oft genug als Schauplatz für ihre Romane.
So liest sich dieses amüsante Buch nicht nur als Hommage an Englands bekannteste und produktivste Krimiautorin, sondern auch als Reiseführer durch und um Torquay. Ein Lesevergnügen ist es allemal.
Petra Pluwatsch
Paul Stänner: „Agatha Christie in Greenway House“, Wagenbach, 120 Seiten, 17 Euro.