
Alexander von Humboldt – hier im Gespräch mit dem Kollegen Carsten Niebuhr (rechts) auf dem Kölner Heumarkt – wurde vor 250 Jahren geboren. Foto: Bücheratlas
Ein Gigant hat Geburtstag: Alexander von Humboldt (1769-1859) wurde am 14. September vor 250 Jahren geboren. Ein Gigant des Wissens, des Forschens, des Reisens, der Offenheit und der Neugier. Ein Weltbürger, Menschenfreund und Naturliebhaber. Keine Anstrengung, weder körperlicher noch finanzieller Art, konnte ihn abhalten zu suchen und zu untersuchen.
Legendär ist sein Aufstieg auf den Chimborazo in Ecuador. Diese Südamerika-Expedition- „in den Wäldern des Orinoco und auf den Cordilleren“ – ist seine bekannteste Reise und vielfach dokumentiert. 30 Jahre später erfüllte er sich dann noch einen Jugendtraum: eine Russland-Tour. Sie führte ihn 1829 bis nach Zentralasien. Am Ende hatte er 19.000 Kilometer auf oft unwegsamen Strecken zurückgelegt. Die meist drei Kutschen, mit denen er und seine Begleiter offenbar permanent unterwegs waren, wurden von insgesamt 12.244 Pferden gezogen – gewechselt an insgesamt 568 Stationen. Finanziert wurde die Reise vom russischen Finanzminister Graf Georg von Cancrin. Der erhoffte sich Auskünfte über wertvolles Gestein im Zarenreich, vor allem an Platin war ihm gelegen.
Der Humboldt-Experte Oliver Lubrich, der das einschlägige Editionsprojekt sämtlicher Schriften des Gelehrten betreut, hat nun ein feines kleines Lesebuch zusammengestellt, das diese Reise gleichsam in Kurzform nacherlebbar macht. Darin enthalten sind Briefauszüge Humboldts an den Bruder Wilhelm, an den Gönner Cancrin und dessen Frau Ekaterina Zacharovna, an Baron Friedrich von Schöler und den Freund Francois Arago. Wesentliche Anschauung vermitteln überdies die Ausschnitte aus der monumentalen Reisebeschreibung „Mineralogisch-geognostische Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere“ des begleitenden Wissenschaftlers Gustav Rose (1798-1873).
„Während seiner sechsmonatigen Expedition“, schreibt Lubrich im Nachwort über Alexander von Humboldt, „wurde der Forscher mit seinem Team fortwährend überwacht.“ So mache diese russische Reise, die auch in Daniel Kehlmanns Bestseller „Die Vermessung der Welt“ erwähnt wird, auf ein aktuelles Problem aufmerksam: „Was bedeutet es, ein unfreies Land zu bereisen?“ Olbrich macht in diesem Zusammenhang aufmerksam auf Mehrdeutigkeiten in den Texten, aus denen hervorgeht, dass Humboldt nicht alle Unterdrückung der Bevölkerung verschweigen wollte. Das Werk, versichert der Herausgeber, sei nur scheinbar unpolitisch.
Das bestätigt der Russland-Experte Karl Schlögel in einem weiteren Nachwort. Demnach habe sich Humboldt auch für Verbannte einsetzen können. Was aber war das Ergebnis dieser oft hektischen Reise? „Am Ende sollte eine, wenn schon nicht neue, so doch genauere, wissenschaftliche Karte des Russischen Reiches stehen.“ schreibt der Historiker. Und Alexander von Humboldt, der im Verlaufe dieses Jugendtraums 60 Jahre alt geworden war, hatte am Ende einen Kopf „voll wie ein siedender Topf“.
Martin Oehlen
„Alexander von Humboldt – Die Russland-Expedition – Von der Newa bis zum Altai“, hrsg. von Oliver Lubrich, 220 Seiten, C. H. Beck, 18,50 Euro. E-Book: 8,99 Euro.