Reise ans Ende der Welt (17): Auf der Suche nach Jeremias Gotthelf in Murten

Dies ist eine Reise ans Ende der Welt und wieder zurück. Durchs Elsaß, die Auvergne und Aquitanien, durch  Spaniens starken Norden übers Baskenland und Galicien bis nach Finis terrae, dann zurück über die Provence und den Kanton Freiburg. Sächliches und Nebensächliches in loser Folge.

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Jeremias Gotthelf vor der Deutschen Kirche in Murten. Foto: Bücheratlas

Ein Kleinod am See – das ist Murten (oder Morta) in der Nähe von Bern. Eine mittelalterlich anmutende Architektur, im Kern umfangen von einer intakten Ringmauer mit namhaften Türmen wie Totentanz und Tournaletta, Kleiner Schimmel und Großer Schimmel, Hexenturm und Pfaffenturm und nicht zu vergessen: Zerschossener Turm. Tourismus-Offerten zuhauf: Bier, Pizza, Sternebetten. Aber auch im Ganzen eine putzige  Sehenswürdigkeit.

Hier wurde 1797 Jeremias Gotthelf geboren, der da noch Albert Bitzius hieß, Sohn eines Pfarrers und später selbst ein Pfarrer. Im aktuellen Weltbewusstsein spielt dieser Autor von zahlreichen Romanen und Erzählungen keine überragende Rolle. Aber in seinem schweizerischen Heimatort?

Die Dame an der Touristen-Information, befragt nach dem Geburtshaus, zeigt sich erst einmal rastlos. Den Namen hat sie noch nie gehört. „Der soll hier leben?“ Nein. „Ach, der Architekt – oder.“ Nein. Aber die Kollegen im Hinterzimmer wissen doch bescheid. Und tatsächlich: Nur weniger Meter entfernt, vor der Deutschen Kirche, steht ein Denkmal des so frommen wie wortmächtigen Mannes. Eine staatsmännische Haltung wie Goethe, möchte man sagen, mit der einen Hand den Weg weisend und mit der anderen hinterm Rücken ein Buch (vermutlich die Bibel) haltend. Eine Autorität im langen Mantel und mit Backenbart. Gleich daneben das Pfarrhaus, an dem eine Plakette darauf hinweist, dass hier der „Volksschriftsteller“ zur Welt gekommen ist: „Im Hause muss beginnen, was leuchten soll im Vaterland.“

Ja, seine Frömmigkeit ist nicht massenkompatibel. Auch sind die Geschichten aus dem bäuerlichen Leben ein nur stilles Spektakel. Da haben wir jetzt mal schnell die kurze Erzählung vom „Erdbeer  Mareili“ gelesen – einer Frau, die als Kind Erdbeeren für die Reichen gesammelt und im Laufe der Zeit so viel Geld angespart hat, dass sie, da schon etwas älter, dem einen oder anderen armen Kind aufhelfen konnte.  Szenen aus einer fernen Zeit. Dazu nicht wenige Einsprengsel in der regionalen Mundart: „Nüt für ungut, Frau Pfarreri, aber es isch emel so und wird nit angers, solang dWelt steit.“ Das alles mag erklären, dass Gotthelfs  Name selbst in Murten wenig geläufig ist.

Aber in der sympathischen „Altstadt-Buchhandlung“ unterm Laubengang dann doch. Die Buchhändlerin ist sogar ein wenig peinlich berührt, dass es nicht einen Titel des Sohnes dieser Stadt im Angebot gibt. Gerne nimmt sie die Deutung auf, dass alle Titel gerade ausverkauft seien. Die Nachfrage halt. Und gleich setzt sie sich an den Computer und bestellt Nachschub. Weil – gelegentlich kommt ein Verirrter vorbei und fragt nach einem Buch des Mannes.

Übernachten

**** Auf das Schlosshotel Münchenwiler muss man erst einmal kommen. Dann ist man freudig überrascht. Im gleichnamigen Weiler oberhalb des mittelalterlichen und denkmalsatten Murten am Murtensee gibt es diese Unterkunft, die einen kleinen Umweg lohnt. Im Schlosshotel finden gibt es teure Wohnmöglichkeiten im Hauptgebäude und relativ günstige – wir sind in der Schweiz – im Gästehaus, einem Neubau, der sich stimmig einfügt in die historische Anlage mit kleinem Park. Die Zimmer im Gästehaus sind frei von Luxus, ausgerichtet auf Seminargruppen, aber top in Schuss. Nicht den üblichen Hotelbau habe man angestrebt, so heißt, sondern eher eine „klösterliche“ Atmosphäre. Passt schon: Als Münchenwiler noch Vilar hieß – diese historischen Auskünfte entnehmen wir dem Band „Münchenwiler“ aus der Reihe der „Berner Heimatbücher“ (Verlag Paul Haupt Bern, 1994) – übergaben sechs Edelleute ihren Besitz an die Benediktinermönche von Cluny. Als Gegenleistung baten sie darum,  Mönche des einst sehr populären Ordens werden zu dürfen.  Welcher Abt mag da schon ablehnen. Das bedeutende Kloster  – immerhin ein Priorat  – wurde im 16. Jahrhundert von der Familie von Wattenwil in ein Schloss umgewandelt. Trotzdem bezeichnet sich Münchenwiler immer noch als ein cluniazenzischer Ort. Was man freilich nicht aufgedrängt bekommt. Schon gar nicht im schlosseigenen Restaurant, das von den Speisen her ansprechend und bei Sonnenschein auf der lauschig begrünten Terrasse atmosphärisch überragend ist.  Wir hatten überdies einen Kellner, der durchweg kompetent und zuvorkommend auf Nachfragen zu Speisen und Getränken reagiert.  Am Küherweg  ist all das gelegen, weil die Kühe gleich nebenan auf der Weide bimmeln. Ein Gast, den hellen Ton vernehmend, griff zu seinem Hand, aber es war dann doch nur das glockige Rindvieh.

PS: Alle Übernachtungs-Tipps sind ohne Kenntnis oder gar Unterstützung der betroffenen Unterkünfte recherchiert und verfasst worden. Die Wohlfühl-Sterne: * ordentlich ** gut *** sehr gut **** überragend ***** außergewöhnlich.
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Ausblick aus dem Gästehaus auf den Schlosshof in Münchenwiler. Foto: Bücheratlas

Martin Oehlen

 

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