
Die engen, historisch getränkten Gassen von Lübeck sind ein ideales Terrain für die Kriminalromane von Eva Almstädt. Foto: Bücheratlas
„Hier hat Pia einmal gewohnt.“ Eva Almstädt weist in einen schmalen Gang. Kleine Häuser schmiegen sich eng aneinander. Davor stehen Blumenkübel mit zerrupften Geranien, übriggeblieben vom vergangenen Sommer. Ein altes Fahrrad lehnt an der Wand. Es riecht nach frischem Mörtel und Beton. Diese Gänge und Höfe in Lübeck, mehr als 90 an der Zahl, stammen noch aus dem Mittelalter, und man kann sich gut vorstellen, dass die junge Kriminalkommissarin im Gang „Schwans-Hof Nr. 10“ – der in den Büchern allerdings Rowedder Gang heißt – über ihre Fälle nachgedacht hat.
Eva Almstädt eilt mit großen Schritten weiter Richtung Rathaus. Weist nach links und nach rechts. Die langen blonden Haare wehen im Wind. „In dem alten Parkhaus habe ich einmal jemandem vom Dach stürzen lassen, und an der Dankwartsbrücke stand bis vor kurzem ein Busch, der in einem meiner Bücher eine Rolle spielte.“ Die Krimiautorin kennt sich bestens aus in der alten Hansestadt, die sie vor mehr als 15 Jahren zum Schauplatz ihrer Krimireihe um die Ermittlerin Pia Korritki machte.
Gerade ist der 14. Band der Erfolgsserie erschienen: „Ostseeangst“. Pia hat ein Jahr zuvor ihren Lebensgefährten Lars verloren hat. Noch ist die alleinerziehende Mutter physisch wie psychisch angeschlagen, und so sieht es zunächst so aus, als solle sie aus den Ermittlungen um zwei in Stücke gehackte Tote im nahen Hemmelsdorfer See herausgedrängt werden.
„Und hier wird in der Adventszeit der Märchenwald aufgebaut.“ Eva Almstädt deutet auf einen leeren Platz vor der Marienkirche. Auch der altehrwürdige Weihnachtsmarkt, bei dem in liebevoll gestalteten „Märchenhäuschen“ Szenen aus den Grimm’schen Märchen nachgestellt sind, fand Eingang in einen ihrer Krimis. „Pia fand die Puppen so gruselig.“ Genau wie die Autorin selber, die sich, wie sie erzählt, seit je vor starren Puppengesichtern fürchtet. Womit die Parallelen zwischen Eva Almstädt und ihrer Figur schon weitgehend erschöpft sind. Pia sei beileibe nicht ihr Alter Ego, beteuert die 53-Jährige. „Ich könnte ihren Job überhaupt nicht machen und bewundere Pias Stärke und ihr Durchhaltevermögen.“
Die Voltigierlehrerin ihrer Tochter, im Hauptberuf Kriminalkommissarin, habe Pate gestanden für die Figur der toughen Lübecker Ermittlerin, erzählt Eva Almstädt. Damals habe sie zwar schon den Plot für ihren ersten Roman im Kopf gehabt. „Ich wusste allerdings nicht, ob ich es schaffe, einen Polizeikrimi zu schreiben. Jetzt hatte ich endlich jemanden, den ich jederzeit um Rat fragen konnte. Das hat mir Mut gegeben.“ Inzwischen lässt sie sich von dem Leiter der Lübecker Mordkommission beraten. „Wenn ich Fragen habe, treffen wir uns im Polizeihochhaus zum Kaffee.“

Eva Almstädt auf Spurensuche in Lübeck. Foto: Bücheratlas
2004 erschien mit „Kalter Grund“ der erste Band der Pia-Korritki-Reihe. 2006 folgte der zweite: „Engelsgrube“. Da lebte Eva Almstädt, Mutter von zwei kleinen Kindern, noch in einem Dorf im Kreis Plön. Die Autorin, 1965 in Hamburg geboren und von Beruf Innenarchitektin, machte in ihrem ersten Buch ihre Wahlheimat zum Schauplatz eines grauseligen Dreifachmords, verlegte das Örtchen allerdings rund zehn Kilometer weiter südlich Richtung Lübeck. „Sonst wäre die Kieler Polizei zuständig gewesen für die Ermittlungen“, erklärt sie ihren Eingriff in die Geografie Norddeutschlands. Kiel habe sie sich nach einer Ortsbesichtigung jedoch beim besten Willen nicht als Handlungsort für ihre Krimis vorstellen können. Zu modern, zu hell. Zu wenig geheimnisvoll.
Inzwischen erscheinen Eva Almstädts Krimis im Jahrestakt und haben nicht nur im Norden einen solide Fangemeinde. „Ostseeangst“ beginnt mit einem grausigen Fund. Eine Gruppe junger Kajakfahrer entdeckt in den Resten eines kokelnden Lagerfeuers eine abgehackte Hand. Bald taucht in einem nahen Stall ein menschlicher Arm auf. Und dann verschwindet auch noch Becca Merthien, die Leiterin der Jugendgruppe. Dass sich zwei Kollegen aus dem Landeskriminalamt in Kiel in die Ermittlungen einmischen, macht die Sache nicht besser.
Am Anfang eines jeden Krimis stehe ein „Stufenplan“ aus 90 Szenen, beschreibt die Autorin ihre Arbeitsweise. Drei Monate brauche sie anschließend für die Rohfassung. Dann folge die Nachrecherche, „um die Lücken zu füllen“. Der nächste Krimi ist längst angedacht, auch er wird vermutlich in Lübeck spielen. Pia hat gerade eine Beförderung zum LKA ausgeschlagen. Kiel statt Lübeck? Geht gar nicht. Womit wir bei einer weiteren Parallele zwischen Pia Korritki und Eva Almstädt wären.
Petra Pluwatsch
Eva Almstädt: „Ostseeangst“, Bastei Lübbe, 414 Seiten, 10 Euro. E-Book: 8,99 Euro.
Hinweis: Petra Pluwatsch war Gast von Bastei Lübbe auf einer Pressereise nach Lübeck.