Thomas Mann hat, angewidert vom Nationalsozialismus, 14 Jahre im kalifornischen Exil verbracht. In der Villa in Los Angeles schrieb er unter anderem den „Doktor Faustus“ und wandte sich in Rundfunkansprachen an seine deutschen Landsleute. In Gesprächen, Essays und anhand von Bilddokumenten wird daran in einer Doppelausgabe des immer wieder attraktiven „Marbacher Magazin“ (Band 163/164, 20 Euro) erinnert. Es ist ein spannendes literarisch-historisches Kapitel, das unter dem Titel „Thomas Mann in Amerika“ von Ulrich Raulff und Ellen Strittmatter herausgegeben wird. Dies ist zugleich der Titel einer einschlägigen Ausstellung im Literaturmuseum der Moderne in Marbach, die noch bis Ende Juni zu sehen ist.
John Keats ist kein Name, der in aller Munde ist. Sein in der Antike spielender Versroman „Endymion“ (32 Euro) ist gewiss ein Fall für Liebhaber von Spezialitäten. Der Verlag Das Kulturelle Gedächtnis gibt das Werk, im Jahre 1818 erstmals veröffentlicht, in einer neuen Übersetzung von Mirko Bonné heraus. Die hilfreiche Einleitung steuert Jan Wagner bei, Büchnerpreisträger des Jahres 2017. Er verweist auf den mythologischen Kern, der von der Mondgöttin handelt, die sich in den jungen Schäfer Endymion verliebt – und wie genial Keats daraus Funken schlägt. Die schöne, zweisprachige Ausgabe ist mit gelegentlichen Anmerkungen versehen. So romantisch geht’s los: „A thing of beauty is a joy for ever“. Und in der Übersetzung: „Ein Ding von Schönheit ist ein Glück für immer“.
Jules Verne ist ein durchaus vertrauter Name im Literatur-Kosmos. Allerdings zählt der Roman „Die Jangada“ zu seinen weniger bekannten Werken. Die sympathisch-kreuzbrave Abenteuergeschichte um eine Floßfahrt auf dem Amazonas birgt nicht zuletzt viele topographische und naturkundliche Fakten. Dass Jules Verne selbst nie im südamerikanischen Urwald unterwegs war, schon gar nicht mit einem Jangada genannten riesigen Floß, spielt dabei keine Rolle. Der Autor wird wohl so vorgegangen sein wie die junge Minha, die sich auf die Amazonas-Reise freut und auf Seite 53 ausruft: „Holen wir alle Bücher, alle Karten, die uns über dieses herrliche Strombecken Auskunft geben können. Wir wollen nicht als Blinde reisen! Ich will alles wissen, alles sehen über diesen König der Flüsse unserer Erde!“ Nun legt Christian Döring in „Die Andere Bibliothek“ eine neue deutsche Bearbeitung der „Jangada“ vor, die erstmals sämtliche 90 Abbildungen des Originals enthält (42 Euro).
Martin Oehlen
Danke für die Tipps. Zum Thema Thomas Mann und Amerika würde ich euch noch das 2018 erschienene Werk „Seven Palms. Das Thomas-Mann-Haus in Pacific Palisades“ empfehlen. In dem Buch (es ist ein erzählendes Sachbuch) wird erstmals die Geschichte des Hauses am San Remo Drive detailliert rekonstruiert und damit auch die des Exils der Familie Mann erzählt. Die Autoren Nenik/Stumpf greifen dabei auf bisher unbekannte Quellen zurück und zeigen, wie eng die Manns mit der Emigrantengemeinde in Los Angeles verbunden waren, wie sehr sie aber auch alte Kontakte aus Deutschland in den USA pflegten. Auf jeden Fall ein sehr lohnens- und durch die Gestaltung und die Bilder auch sehr sehenswertes Buch, wie ich finde.
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Tolle Buchempfehlung! Herzlichen Dank dafür!
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