Jo Nesbø entführt Macbeth ins 21. Jahrhundert

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Jo Nesbø beim Auftritt im WDR-Funkhaus anlässlich der lit.Cologne-Spezial. Fotos: Bücheratlas

Wie kann ein aufrechter junger  Mann zu einem  Despoten,  zu einem skrupellosen   Mörder werden? Eine Frage, die sich vor  gut 400 Jahren  der englische Dramatiker William Shakespeare stellte. Seine Antwort darauf  war ein blutrünstiges Bühnenstück:  „Macbeth“, die Geschichte  eines ehrgeizigen  Vasallen,   der durch die Einflüsterungen seiner Frau zum Königsmörder wird.  Jetzt hat der norwegische  Kriminalschriftsteller  Jo Nesbø den  klassischen Stoff aufgegriffen und einen mehr als 600 Seiten starken Thriller daraus gemacht.  Auch dessen  Titel lautet „Macbeth“.

Er habe gehofft,  seine Sache besser zu machen, doch das sei ihm leider nicht gelungen, kokettierte der Autor kürzlich  in einem Interview mit den möglichen Schwächen seines jüngsten Werks.  Gewiss, „Macbeth“ ist kein Harry-Hole-Roman.  Die  elf Bände umfassende Hole-Reihe begründete Nesbøs Ruf als exzellenter Krimiautor und   verkaufte sich  weltweit millionenfach. „Macbeth“ hingegen ist vor allem ein literarisches Experiment und damit  ganz der   Vorlage verpflichtet.  Entstanden ist das Buch  im Rahmen des Hogarth-Shakespeare-Projekts. Die Idee dahinter:  Schriftsteller  und Schriftstellerinnen erzählen ein  Werk von Shakespeare  nach und siedeln den Stoff in der Jetztzeit an. So basiert  Anne Tylers  „Die störrische Braut“ auf „Der Widerspenstigen Zähmung“; die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood nahm sich 2017  „Der Sturm“ vor und machte  daraus den überaus vergnüglichen Roman „Hexensaat“.

Er sei froh, dass man ihn so früh gefragt habe, ob er an  dem Projekt teilnehmen wolle, sagt Nesbø. Sonst hätte ihm womöglich ein Kollege  sein „liebstes Shakespeare-Stück“ weggeschnappt. Der Stoff spielt in einer Stadt irgendwo im Norden. Die Politiker sind korrupt, die Polizisten nicht minder. Wirtschaftlich geht es mit der Stadt  schon lange bergab. Der heimliche Herrscher des an „Sin City“  gemahnenden Elendsorts  ist ein betagter Drogenboss namens Hecate – in der griechischen Mythologie die Göttin der Hexerei.

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Inspector Macbeth, aufgewachsen in einem Waisenhaus,  ist Leiter einer Sondereinheit. Parallelen zu der Figur des querköpfigen Harry Hole  sind unverkennbar. Auch der Inspector  hat ein  Drogenproblem – Brew heißt der Stoff, der ihm schon einmal zum Verhängnis wurde.  Und genau wie Hole ist Macbeth  getrieben von Dämonen, die ihren Ursprung in seiner  Vergangenheit haben. Dennoch: Alles wäre gut,   hätte er nicht eine  Frau  namens  Lady an seiner Seite.

Die ehemalige Prostituierte  mit den feuerroten  Haaren ist Besitzerin des besten Spielcasinos der Stadt. Und – Lady  ist ehrgeizig.    „Du must Duncan töten“, raunt sie ihrem Geliebten  eines Nachts ins Ohr, nachdem der neue Chief Commissioner den bisherigen, bis in die Knochen korrupten Polizeichef   der Stadt abgelöst hat.  „Denk an all die großen Ziele,  die wir erreichen  könnten, wenn du ganz oben wärst.“  Macbeth, ein Mann, der das Töten hasst, wird zum Mörder. Er lockt Chief Commissioner Duncan in eine Falle. Wie bei William Shakespeare ist diese  erste Bluttat  der Auftakt zu einem unvorstellbar grausamen Mordserie. Macbeth verliert sich in blutigen Allmachtsfantasien. Niemand ist  sicher vor dem Zugriff seiner entfesselten Anhänger, und in der Stadt regiert die Angst.

Nesbø  hat den klassischen Stoff perfekt in die Gegenwart übertragen und  damit ein Buch geschrieben, das einen das Gruseln lehrt. Dieser Macbeth ist ein Antiheld, damals wie heute.

Petra Pluwatsch

http://www.ksta.de

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Bestsellerautor (Mitte) mit Moderator und Rezitator. Foto: Bücheratlas

Einen Bericht über den Auftritt von Jo Nesbø im Rahmen der lit.Cologne-Spezial, wo er Shakespeares Meisterschaft beschrieb, lesen Sie hier:                       https://www.ksta.de/kultur/mit-shakespeare-in-den-drogenkrieg-31664522

Und hier geht’s zum Buch:                                                                                                                   Jo Nesbø: „Macbeth – Blut wird mit Blut bezahlt“, dt. von André  Mumot, Penguin, 624 Seiten, 24 Euro. E-Book  16,99 Euro.

Nesbo

 

 

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