
Fotos: Bücheratlas
Der Titel ist ein Knaller: „Mit 50 Euro um die Welt“. So nennt Christopher Schacht seine Aufzeichnungen aus vier Jahren, die ihn in 45 Länder und weit hinauf in der Bestsellerliste geführt hat. Das ist nicht weiter erstaunlich. Denn wie so viel Welt für so wenig Geld zu haben ist – das möchte man ja doch ganz gerne wissen. Allerdings ist der Titel eine Täuschung. Zwar ist Schacht als 19-Jähriger mit 50 Euro in der Tasche gestartet, aber selbstverständlich hat er unterwegs immer wieder Jobs angenommen. In Korea wurde der große Blonde aus dem Dorf Sahms in Schleswig-Holstein sogar für einen Werbespot gebucht. Nicht zuletzt packte er auf den Segelschiffen kräftig an, die ihn über Atlantik und Pazifik transportierten. Da waren die ersten 50 Euro schon längst verjubelt.
Der Erfolg seiner Reiseaufzeichnungen liegt aber nicht nur im irreführenden Titel begründet. Der Autor überzeugt als außerordentliche Frohnatur. Er glaubt an das Gute im Menschen und erachtet Ehrlichkeit und Verlässlichkeit als selbstverständlich. Vielleicht war diese positive Ausstrahlung ein Teil seiner Lebensversicherung: So viel Freundlichkeit könnte ja ansteckend sein. Aber sicher sind wir nicht, ob das ausschlaggebend war, dass er sich in Südamerika unbehelligt bei Drogenhändlern und Goldwäschern aufhalten konnte oder dass er – das war allerdings hart – unversehrt durch pakistanisch-afghanisches Terror-Gebiet gefahren ist.
Schacht sieht und erlebt beneidenswert viel. Er war zwar nicht in Australien oder Afrika, auch hat er Nordamerika und Russland ausgelassen. Aber die 1512 Tage waren doch gut ausgefüllt: Die Route ist interessant. Hingegen sind seine unterwegs gewonnenen Erkenntnisse von überschaubarer Originalität. Das gilt für die Abteilung Irdisches, wenn er bemerkt: „Es gibt keinen mit Sicherheit konsequenzenlosen Sex“ (worauf er sich entschließt, nur noch „auf die eine“ zu warten, die sich dann auch bald meldet und mittlerweile seine Ehefrau ist). Das gilt ebenso für die Abteilung Himmlisches, wenn Schacht, der mit der Bibel im Rucksack unterwegs ist, sich durch Gott bestärkt sieht, dass nicht das eigene Glück das Wichtigste sei, sondern anderen beizustehen (und dadurch dann doch das eigene Glück zu finden). Dass dieses Buch im adeo-Verlag erscheint, der Gott nicht nur im Namen trägt, sondern ihm ausdrücklich im gesamten Programm verbunden ist, erstaunt bei so viel Gottvertrauen nicht.
Glück ist allemal die Vokabel, die Schacht besonders häufig verwendet. Sein Glück kann er oft kaum fassen. Das bezieht er nicht darauf, dass er in diesen vier Reise-Jahren weder ausgeraubt noch angegriffen worden ist. Vielmehr meint er damit in aller Regel das Glück, eine Unterkunft oder eine Mitfahrgelegenheit gefunden zu haben. Und das Glück bleibt ihm treu: Bei der nächsten Weltreise muss er nicht mehr mit nur 50 Euro starten. Dem Bestseller sei Dank.
Martin Oehlen
Christopher Schacht: „Mit 50 Euro um die Welt“, adeo Verlag, 304 Seiten, 20 Euro.