
Der Himmel über Thailand Fotos: Bücheratlas
Reisebücher gibt es wie Sand am Golf von Thailand. Da fällt es schwer, das Besondere zu finden. Doch gemach – wir helfen weiter. Wer auf der Suche nach einer Spezialität ist, dem sei „Phitsanulok“ von Sabine Vogel ans Reiseherz gelegt. Ihr Thailand-Buch, das einen zentral gelegenen Ort des asiatischen Landes im Titel führt, hat nur einen Nachteil: Es müsste viel dicker sein. Wo einem solch großartige Texte geboten werden, mag man nicht schon nach 40 Brutto-Seiten davon lassen. Denn da steckt mehr „Thailand“ drin als im „Lonely Planet“, der im Vergleich mit diesen atmosphärisch vibrierenden Beobachtungen wie ein tiefgekühltes Info-Gerippe wirkt. Allerdings geht es in „Phitsanulok“ nicht nur um Thailand – sondern auch um das Reisen im Grundsätzlichen, um das Leben schlechthin.
Die Literaturkritikerin, die einen schönen Blog pflegt, schildert hautnah, was sie reisend erlebt. Und sie geht auch mal dorthin, wohin nicht jeder geht. Nicht aus touristischem Ehrgeiz, schon gar nicht, um sich der „mutigen“ Taten zu rühmen, sondern aus dem schönsten Grund: Erfahrungshunger. Thailands Standard-Stationen werden hier nicht abgefeiert. Von wegen Königstempel Wat Phra Kaeo! Sabine Vogel hegt eine Neigung zu „den äußersten Rändern“, ist auf glitschigen Dschungelpfaden und in tosenden Straßenschluchten unterwegs. Sie greift zu Spinatknödeln am Straßenrand und nächtigt zuweilen in Unterkünften, zu denen uns booking.com nie führen würde. Da sollte man halt auch einmal Fünfe gerade sein lassen: „Ich muss meine Einstellung zu Ratten ändern.“
Die Autorin ist – was kitschig klingt, aber wir wissen den Punkt gerade mal nicht besser zu treffen – eine Sammlerin der Augenblicke. Das wird vor allem bei den Texten deutlich, die im Stakkato daherkommen: An jedem Satzende, manchmal schon hinterm Komma folgt eine neue Abzweigung. Und zwischendurch die Reflexion: „Kleine Schritte, kein Plan.“
Stößt der Leser in diesen Texten einmal auf einen Setzfehler, dann verstärkt der kurioserweise nur den Eindruck des Authentischen. Hier wird nichts ziseliert serviert, vielmehr bekommt der Leser die 1001 Eindrücke im knappen, zuweilen schön schnoddrigen Ton vor den Latz geknallt. Das haut die Bügelfalten aus jeder Funktionskleidung. Wunderbar die Ausfälle gegen „dröhnendes Backpackerpack“, das man aber aufgrund seiner Neigung zur Verklumpung schnell hinter sich lassen könne. Ein paar Zeilen weiter wird die Deftigkeit demütig kassiert: „Das war dumm, wie alles pauschale Urteilen. Zudem gehöre ich ja selbst dazu, nur dass ich doppelt so alt bin.“
Haben wir es schon gesagt? Das ist ein großartiges Büchlein.
Martin Oehlen
Sabine Vogel: „Phitsanulok“, Verlag Peter Engstler, 40 Seiten, 9 Euro.
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