Val McDermid legt ihren 30. Kriminalroman vor

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Zu sagen, dass Val McDermid in diesen zwei Tagen einiges getrunken hat, wäre nicht korrekt. Sie hat viel getrunken. Das ist 19 Jahre her, und in Deutschland war gerade ihr Krimi „Ein Ort für die Ewigkeit“ erschienen. Zwei Tage fuhr sie im Winter des Jahres 1999 mit einer Gruppe deutscher Journalisten durch die englischen Midlands, um ihnen die Schauplätze ihres neuen Romans zu zeigen.

Seitdem ist viel passiert im Leben der schottischen Krimiautorin. Sie hat mit ihrer damaligen Lebensgefährtin ein Kind adoptiert, das inzwischen 16 oder 17 Jahre alt ist, und sich einige Jahre später von ihrer Partnerin getrennt. Sie trinkt morgens um 10 Uhr kein Bier mehr, schon gar nicht aus der Flasche, und sie hat dankenswerterweise diesen eigentümlichen schottischen Akzent abgelegt, der früher jedes Gespräch mit ihr zu einer Herausforderung machte. Und: Sie ist eine der erfolgreichsten Kriminalautorinnen Großbritanniens geworden. Ihr jüngster Roman „Der Sinn des Todes“ ist der beste Beweis dafür.

30 Romane hat die 62-Jährige seit 1987 geschrieben und vier Krimireihen an den Start gebracht – die Lindsey-Gordon-, die Kate-Brannigan-, die Tony-Hill- und die Karen Pirie-Serie, zu der ihr letzter Roman gehört. Sie hat mit ihren Büchern mehrere Preise gewonnen, darunter 1995 den britischen „Gold Dagger Award“ für den besten englischsprachigen Kriminalroman und 2004 den amerikanischen Barry Award für den besten britischen Kriminalroman.

Zu verdanken habe sie all das Agatha Christie, sagt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. „Als ich neun Jahre alt war, habe ich ‚Mord im Pfarrhaus‘ gelesen und war total begeistert. Danach habe ich so ziemlich jeden Häkelkrimi verschlungen, den ich in die Finger bekam. Solche Bücher wollte ich später auch einmal schreiben.“ Irgendwann habe sie begriffen, dass man mit Geschichtenerzählen sogar Geld verdienen könne. Ein Anreiz mehr, Schriftstellerin zu werden.

Dennoch schlägt Val McDermid zunächst einen anderen Weg ein. Sie verlässt ihre Heimatstadt Kircaldy, „ein hässliches kleines Nest“ an der Ostküste Schottlands, und geht nach Oxford, um englische Literatur zu studieren. Leicht wird das nicht gewesen sein. Val McDermid stammt aus einem Arbeiterhaushalt. Am St Hilda’s College in Oxford ist sie die erste Studentin, die ihren Schulabschluss an einer staatlichen schottischen Schule gemacht hat. Nach dem Studienabschluss wird sie zunächst Journalistin und arbeitet für mehrere englische Zeitungen.

Die amerikanische Krimiautorin Sara Paretsky und deren Protagonistin V. I. Warshawski, eine Privatdetektivin aus Chicago, inspirieren sie schließlich zu ihrem ersten Roman. „Genau solche Bücher wollte ich schreiben: Krimis mit einer starken und humorvollen Heldin, mit einem urbanen Setting und ein bisschen politischem Hintergrund. Also habe ich mich hingesetzt und es versucht.“ Das Experiment gelingt. 1987 kommt ihr erster Kriminalroman auf den Markt: „Die Reportage“. Lindsay Gordon ist wie die Autorin selbst lesbisch und arbeitet als Journalistin. Weitere Parallelen weist Val McDermid stets weit von sich. Ihre Heldin sei homosexuell, weil sie sich in der Szene auskenne. Nicht mehr, nicht weniger.

 

 

Seitdem hat Val McDermid fast jedes Jahr ein neues Buch veröffentlicht. Und nun also „Der Sinn des Todes“, ihr 30. Krimi und vierter Karen-Pirie-Roman. Die Spezialistin für ungelöste Altfälle, noch immer traumatisiert durch den Tod ihres Partners, ermittelt in einem 20 Jahre zurückliegenden Mord. Damals wurde eine junge Frau nach dem Besuch in einer Bar vergewaltigt und ermordet. Der Täter wurde nie gefunden. Doch dann verunglückt ein junger Mann auf der Flucht vor der Polizei. Eine routinemäßige DNA-Probe ergibt, dass er mit dem unbekannten Täter verwandt sein muss.

Karen Pirie beschäftigt noch ein zweiter Fall, auch wenn der sie eigentlich nichts angeht. Ein junger Mann ist tot auf einer Parkbank gefunden worden. Selbstmord, glaubt der ermittelnde Beamte. Doch Karen ist anderer Meinung. Zumal die Mutter des Toten mehr als 20 Jahre zuvor bei einem Bombenattentat ums Leben gekommen ist. Besteht zwischen den beiden gewaltsamen Todesfällen vielleicht ein Zusammenhang? Sie beginnt, die Vergangenheit der beiden Toten zu durchleuchten und kommt dabei einer erstaunlichen Familiengeschichte auf die Spur.

Die Teilnahme an einer Konferenz von Forensikern habe sie zu dem Krimi inspiriert, sagt Val McDermid. „Dort sprachen zwei Ermittler darüber, dass sie ein Verfahren entwickelt haben, um familiäre DNA zur Lösung alter Fälle heranzuziehen. Ich fand den Fakt an sich schon spannend. Dann begann ich darüber nachzudenken, dass Verwandtschaftsverhältnisse unter Umständen ganz anders sind als wir geglaubt haben, und dass sich darauf faszinierende Geschichten stricken lassen.“

Angst, dass ihr nach 30 Jahren der Stoff ausgeht, hat Val McDermid nicht. „Meine Themen haben sich kaum geändert. Mein Fokus richtet sich nach wie vor auf jede Art von Ungerechtigkeit und politischem Fehlverhalten. Schreiberisch bin ich allerdings wesentlich besser geworden. Meine Sprache ist ausgefeilter als früher, die Handlung ist besser strukturiert.“ Leichter werde das Schreiben von Büchern dadurch nicht. „Je besser du wirst, desto höher legst du für dich selber die Latte. Ich habe den Ehrgeiz, dass jedes Buch besser oder wenigstens anders sein soll als sein Vorgänger.“ Was eine vielversprechende Arbeitseinstellung ist.

Petra Pluwatsch

Val McDermid: „Der Sinn des Todes“, dt. von Doris Styron, Droemer, 496 Seiten, 22,99 Euro. E.Book: 9,99 Euro.

http://www.ksta.de

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