Loblied auf eine „Superkraft“: Iris Wolffs Dankesrede zum Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung

Iris Wolff hat einen Tipp für alle, die sich an einen Roman wagen wollen. Also an das Schreiben, nicht an das Lesen eines solchen Textes. Sie sagt: „Tatsächlich braucht es keine großen Themen für einen guten Text.“ Gerade vertraute, augenscheinlich langweilige Orte seien ideale Ausgangspunkte für Literatur. Denn an den Rändern sei man mit sich selbst konfrontiert und gleichzeitig angewiesen auf andere: „Hier finden sich die spannenden Charaktere.“

„Schründe und Verwerfungen“

Weil die Schriftstellerin in ihren Werken mittlerweile viele „spannende Charaktere“ vorgestellt hat, ist ihr am Sonntag in Weimar der Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung verliehen worden. Er ist mit 20.000 Euro dotiert. Norbert Lammert, Vorsitzender der Stiftung, stellte zur Begrüßung und Begründung fest: „Mit poetischer Eleganz und in verdichteten Szenen erzählt Iris Wolff von Lebensformen der Freiheit. Ihre Romane halten Zeichen von Menschenfreundlichkeit und Werteverbundenheit fest – gegen die Schrecken und ideologischen Verirrungen des 20. Jahrhunderts.“

Laudator Denis Scheck pries seinerseits die elegante, präzise und nie larmoyante Prosa. Diese führe die Leserinnen und Leser „immer wieder an die Bruchstellen der Zeit, an Schründe und Verwerfungen in den historischen Erlebnislandschaften“.

„Absurdität und Idiotie“

Iris Wolff, von der zuletzt die Erfolgstitel „Die Unschärfe der Welt“ und „Lichtungen“ erschienen sind, wurde 1977 in Hermannstadt geboren. Sie wuchs in einem Rumänien auf, das – wie sie in ihrer Dankesrede in Weimar sagte – geprägt gewesen sei „von Zwang, Überwachung, Unfreiheit, wirtschaftlicher Not, Repressalien und einer kaum zu überbietenden Absurdität und Idiotie“. Im Alter von acht Jahren reiste sie dann aus in die Bundesrepublik Deutschland.

Gleichwohl wirken die Erfahrungen in der Diktatur nach. Sie habe eine besondere Freiheit kennengelernt: „Die Freiheit, die ich meine, hat mit einer Fähigkeit zu tun, die wir viel zu selten gebrauchen: die Phantasie.“ Die „Kraft der Imagination“ erlaube uns, „über das Jetzt und Hier hinauszudenken, die Wirklichkeit, die wir im Alltag erleben, zu hinterfragen.“ Bei der Phantasie handele es sich um eine „Superkraft“.

„Heilsames Absehen von sich selbst“

Um diese Kraft ernst zu nehmen, müsse man allerdings daran glauben, „dass es neben der materiellen Seite der Realität eine geistige, metaphysische gibt.“ Auch müsse man Lust haben, seine Wahrnehmung zu erweitern. Dann könne man erfahren, „wie heilsam es ist, in eine andere Identität zu schlüpfen, probehalber, etwa für die Dauer eines Buches.“ Bilder, Musik, Worte, Begegnungen, Blicke – das alles könnten Verbindungstüren sein.

Das Gute an der Kunst sei, so Iris Wolff, dass sie unsere Annahme zu erschüttern vermöge, mehr wert zu sein als anderes Leben. Kunst ermögliche „ein heilsames Absehen von sich selbst“.

Martin Oehlen

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