Dirk Rossmann, Gründer und Inhaber der nach ihm benannten Drogeriemarktkette, hat seinen ersten Kriminalroman geschrieben. ist. „Der neunte Arm des Oktopus“ erscheint an diesem Montag im Verlag Bastei Lübbe. Darin geht es um eine Weltregierung der Supermächte, die den Planeten retten will. Die Online-Buchpremiere findet ebenfalls an diesem Montag statt (siehe unten).
Dirk Rossmann, der 1946 in Hannover geboren wurde, hat vor zwei Jahren seine Autobiografie vorgelegt: „… und dann bin ich auf den Baum geklettert“ (Ariston Verlag).

„Jede Nacht um vier Uhr befand ich mich in einer Übergangswelt“
Herr Rossmann, Sie sind Gründer und Inhaber der größten Drogeriemarktkette Deutschlands. Jetzt haben Sie einen politischen Thriller geschrieben, „Der neunte Arm des Oktopus“. Ist das nicht ein bisschen ungewöhnlich?
Es ist eher ein bisschen geheimnisvoll. Man könnte sagen, dass ich dieses Buch geträumt habe.
Wie das?
Im Dezember letzten Jahres bin ich 14 Tage lang jede Nacht um vier Uhr aufgewacht. Allerdings war ich nicht richtig wach, sondern befand mich in einer Art Übergangswelt und träumte die komplette Geschichte des Romans. Jede Nacht ging es ein Stück weiter, bis alle wichtigen Bausteine zusammen waren. Nach diesen 14 Tagen war mir klar, dass ich dieses Buch unbedingt schreiben muss. Ich war regelrecht besessen davon. Das Problem war nur, dass ich kein Thriller-Autor bin. Ich hatte zwar die komplette Idee im Kopf, doch um sie mit Leben zu füllen, brauchte ich Unterstützung.
Wie sah die aus?
Ich habe zunächst Peter Käfferlein und Olaf Köhne, mit denen zusammen ich schon meine Autobiografie „… und dann bin ich auf den Baum geklettert“ geschrieben habe, mit ins Boot geholt. Später sind noch einige hervorragende Rechercheure hinzugekommen und haben mir all die Informationen besorgt, die ich brauchte, um aus meiner Idee ein Buch zu machen. Allein hätte ich das nicht geschafft.
Wie hat diese Zusammenarbeit geklappt?
Ich bin ja ein Teamplayer. So habe ich auch meine Firma aufgebaut. Trotzdem war die Arbeit enorm anstrengend. Ich habe mich über Monate ausschließlich mit der Klimakatastrophe und anderen schrecklichen Dingen beschäftigt und bin regelrecht krank darüber geworden. Mein Blutdruck ging in die Höhe, ich bekam eine Magenschleimhautentzündung. Inzwischen geht es mir wieder gut, und ich bin sehr stolz auf dieses Buch.
Masterplan zur Weltrettung
In Ihrem Buch geht es um die Rettung der Welt durch einen Zusammenschluss der drei Großmächte China, Russland und die USA. Gemeinsam wollen sie die drohende Klimakatastrophe abwenden. Für wie realistisch halten Sie eine solche Kooperation?
Ich halte sie definitiv für höchst unwahrscheinlich. Doch: War es wahrscheinlich, dass ein kleiner Leutnant auf Korsika namens Napoleon Bonaparte 20 Jahre später ganz Europa beherrscht? Und war es wahrscheinlich, dass ein neurotischer, mittelloser junger Mann namens Adolf Hitler, der 1909 über die Kärntner Straße in Wien schlenderte, 30 Jahre später die Welt stürzen würde?
Halten Sie denn eine Kooperation der Supermächte für wünschenswert?
Auf jeden Fall. Allerding müssen die drei Großmächte, wie ich in meinem Buch ja auch schreibe, jedem Land auf dieser Erde die absolute, territoriale Unverletzlichkeit und politische Souveränität garantieren, unabhängig davon, welche Staatsform es hat. Die Länder, die sich der Weltgemeinschaft anschließen, verpflichten sich ihrerseits zur totalen Abrüstung, zur Senkung der Geburtenrate und zur Durchsetzung der Ziele der Klimakonferenz. Alles andere hat die Weltregierung nicht zu interessieren.
Das klingt in der Tat utopisch.
Natürlich beschreibe ich in meinem Buch eine Utopie, aber ich sehe keine Alternative dazu. Ich fürchte, dass die Menschheit einfach so dumm und charakterlos ist, dass sie nicht nur sich selber, sondern die gesamte Schöpfung zerstören wird. Umso wichtiger ist es, dass sich die Vernunft durchsetzt.
„Die Menschheit hat die letzten 20 Jahre verschlafen“
Hätte die Welt schon viel früher auf diese Probleme reagieren müssen?
Natürlich hätte sie das tun müssen. Die gesamte Menschheit hat die letzten 20 Jahre komplett verschlafen. Wenn ich das schon höre: Informationsaustausch, Meinungsaustausch, Konferenzen, die nichts bringen! Die Zeit des ewigen Redens ist längst vorbei. Wir sehen doch schon jetzt, welche fatalen Folgen der Klimawandel hat. Wenn ich durch den Wald gehe, schreien die Bäume „Wasser, Wasser“. Ich glaube, die nächsten zehn Jahre werden die spannendsten und wichtigsten des 21. Jahrhunderts, weil da die Weichen gestellt werden. Nur durch radikales Umdenken sehe ich eine Chance für die Schöpfung.
Die G3, wie sie im Buch genannt werden, setzen unter anderem auf Geburtenkontrolle und ein verändertes Essverhalten. Die Nutzung von Autos und Flugzeugen soll auf das Nötigste beschränkt werden. Darf man das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zugunsten der Allgemeinheit so drastisch einschränken?
Es ist nicht die Frage, was man darf, sondern, was unbedingt passieren muss. Wir haben eine Verantwortung für unsere Kinder und Enkelkinder, und dementsprechend müssen wir handeln. Natürlich sind die Vorschläge, die ich in meinem Buch formuliere, radikal und provokativ, aber so weiterzumachen wie bisher wäre zutiefst inhuman.
„Greta Thunberg fehlt die Entscheidungsmacht“
Die Klimaaktivistin Greta Thunberg hat die Bewegung „Fridays for Future ins Leben gerufen. Weltweit protestieren vor allem junge Menschen gegen die derzeitige Klimapolitik? Wie stehen Sie zu dieser Bewegung?
Ich bin ganz begeistert von Greta Thunberg. Ich finde sie großartig, aber allzu viele Hoffnungen macht sie mir nicht. Sie hat zwar eine gewisse Macht und bewegt junge Menschen auf der ganzen Welt. Aber ihr fehlt die Entscheidungsmacht, die man braucht, um Dinge schnell, eruptiv zu verändern. Womit wir wieder bei den drei Großmächten wären. Doch da passiert auch nichts. Wie viel Geld wird für irgendwelches überflüssiges Zeug verdaddelt, obwohl wir alle unsere Kraft und Vernunft brauchen, um die Erderwärmung zu stoppen und die große Klimakrise doch noch abzuwenden. Manchmal denke ich, die ganze Welt ist verrückt geworden.
Die G3 wollen das Wachstum der Weltbevölkerung stoppen. Sie selbst haben bereits 1991 die „Deutsche Stiftung Weltbevölkerung“ gegründet, die in Afrika mit Aufklärungskampagnen zur Senkung der Geburtenrate beitragen will. Wie kam es zur Gründung dieser Stiftung?
Mir war schon damals klar, dass die Überbevölkerung der Erde ein großes Problem darstellt. 1991 wuchs die Weltbevölkerung jedes Jahr um 105 Millionen Menschen. Mittlerweile sind es nur noch 77 Millionen, aber auch das ist zu viel. Wenn die Menschen sich weiterhin so rasant vermehren, wird das Artensterben weiter gehen, der CO2-Ausstoß wird dramatische Ausmaße annehmen. Im Großraum von Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens, haben wir es immerhin geschafft, die Geburtenrate auf durchschnittlich 1,5 Kinder zu senken. Das ist sensationell, wenn man bedenkt, dass südlich der Sahara jede Frau fünf, in Niger sogar sieben Kinder zur Welt bringt.
„Meine Autos fahre ich acht Jahre“
Wie klimafreundlich leben Sie selbst?
Meine Frau und ich wohnen seit 1984 auf dem Land in einem reetgedeckten Fachwerkhaus. Wir haben weder eine Yacht noch ein Privatflugzeug, wir haben kein Haus im Ausland. In diesem Jahr bin ich aus geschäftlichen Gründen ein einziges Mal geflogen, und meine Autos fahre ich immer acht Jahre. Was ich sagen will: Wir sind keine Konsummenschen.
Sie besitzen in Europa mehr als 4000 Filialen Ihrer Drogeriemarktkette und beschäftigen rund 56 000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Welche Rolle spielen Umwelt- und Klimaschutz in Ihren Geschäften?
Ich weiß kaum, wo ich da anfangen soll. Um nur einige Beispiele aufzuzählen: 800 Produkte unserer Eigenmarken, die mikroplastik-frei sind. Sämtliches Palmöl, das wir für unsere Eigenmarken verwenden, ist zertifiziert. Unsere Taschen sind nicht mehr aus Plastik, die, die wir noch haben, sind aus recyceltem Material. Und, und, und. Doch das löst nicht unsere Probleme. Selbst wenn wir in Deutschland alles richtig machen, hätten wir gerade mal zwei Prozent der Klimaerwärmung im Griff. Die Großen müssen mitspielen.
Sie wagen in Ihrem Buch auch den Sprung ins 22. Jahrhundert. Wir essen Fleisch, das keines ist, den Haushalt regeln Roboter, die mit mehr – wenn auch künstlicher – Intelligenz ausgestattet sind als mancher Mensch. Ist das Ihre Vorstellung von unserer Zukunft?
Die Idee war, den Lesern zu zeigen: Wenn wir heute, im Jahr 2020, 2025, alles richtig machen, dann haben die Menschen gute Chancen, in Zukunft ein menschenwürdiges Leben zu führen und in einer Welt zu leben, die in Ordnung ist. In meiner Fantasie wird es ihnen in 80 Jahren sehr viel besser gehen als heute. Allerdings werden wir dann auch weniger Menschen sein. Doch wie diese Welt genau aussehen wird, weiß ich natürlich nicht.
„Die Corona-Maßnahmen sind absolut sinnvoll“
Seit Anfang des Jahres hat die Corona-Pandemie die Welt fest im Griff. Was ist für Sie die größere Bedrohung: Corona oder der Klimawandel?
Wegen Corona mache ich mir nicht so viele Sorgen. Die Pandemie ist im Gegensatz zum Klimawandel eine vorübergehende Bedrohung, die natürlich bitter ist und hunderttausende Menschen das Leben gekostet hat. Aber wir werden schon bald sehen, dass die Zahlen heruntergehen. Im nächsten Jahr wird es vermutlich einen Impfstoff geben, der einen 90-prozentigen Schutz bieten soll.
Für wie sinnvoll halten Sie die die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung der Pandemie?
Für absolut sinnvoll. Ich bin nicht immer ein Freund von Angela Merkel, aber sie macht in der Coronakrise eine ganz tolle Arbeit. Ich habe überhaupt kein Verständnis für Corona-Leugner und Partymacher, die sagen: Sollen die Alten doch sterben. Es geht nicht darum, ob die Alten sterben, sondern darum, dass unser Gesundheitssystem, das für alle da ist, zusammenbrechen könnte. Wenn das passiert, hat auch das fünfjährige Mädchen, das mit einer Blinddarmentzündung ins Krankenhaus eingeliefert wird, keine Chance.
Wie sind Ihre weiteren literarischen Pläne?
Ich denke über eine Fortsetzung von „Der neunte Arm des Oktopus“ nach. Das Buch soll zwischen 2025 und 2030 spielen, Thema sind die Gründung einer Weltregierung und die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind. Noch habe ich keine Seite geschrieben, aber die Geschichte wächst in meinem Kopf, und sobald sie steht, fange ich an zu schreiben.
Das Gespräch führte Petra Pluwatsch
Dies ist die Langfassung eines Gesprächs, das im „Kölner Stadt-Anzeiger“ erschienen ist.
Die Buchpremiere findet als Kooperation von Thalia und Bastei Lübbe an diesem Montag, 16. November 2020, um 19 Uhr statt. Mit Dirk Rossmann spricht der Journalist Dirk Steffens. Wer dabei sein möchte: https://www.thalia.de/buch/highlights/rossmann
Dirk Rossmann: „Der neunte Arm des Oktopus“, Lübbe, 400 Seiten, 20 Euro. E-Book: 15,99 Euro.

Letzten Freitag lief abends im NDR-Fernsehen die Talkshow „3nach9“, in der sich Giovanni di Lorenzo auf seine bekannt angenehme Art und Weise mit Dirk Rossmann unterhielt. Es scheint kein Video zu geben, aber hier ist der Link zu dem Audio der ARD-Audiothek, vielleicht mögt ihr ihn ja stehen lassen.
https://www.ardaudiothek.de/3nach9-der-talk-mit-giovanni-di-lorenzo-und-judith-rakers/dirk-rossman/83091474
Montagmorgenkaffeegrüße! 😀
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Prima! Vielen Dank für den Link – und eine schöne Woche!
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