
Die Stadt, vor allem mein Viertel, die Südstadt, ist mein Biotop“, schrieb Dieter Wellershoff (1925-2018) einmal über Köln. „Ich bin hier zu Hause, eingebettet in soziale Zusammenhänge und vor dem Hintergrund von Erinnerungen, die bis in die Kindheit zurückreichen.“ Nun soll dem Schriftsteller eine besondere Ehre zuteilwerden – jedenfalls ist dies das Ziel einer Petition an die Stadt Köln, die von seiner Tochter Irene Wellershoff angestoßen wurde.
Die Wohnung in der Mainzer Straße
„Zur Erinnerung an diesen bedeutenden Kölner Nachkriegsautor möchten wir beantragen, den Platz zwischen den beiden Teilen der Mainzer Straße ‚Dieter-Wellershoff-Platz‘ zu benennen.“ Das Areal, im Volksmund aufgrund seiner Form und in Ermangelung eines offiziellen Namens „Eierplätzchen“ genannt, liegt in unmittelbarer Nähe der Wohnung in der Mainzer Straße 45, wo der Schriftsteller über 40 Jahre gelebt hat.
Dass Dieter Wellershoff eine öffentliche Würdigung verdient hat, steht außer Frage. Tatsächlich müsste sich die Stadt Köln mit allem, was ihr an Begeisterung möglich ist, dieser Initiative anschließen – ja, sich an deren Spitze stellen. Immerhin hat Heinrich Böll seinen prominenten Platz an der Philharmonie und Hilde Domin ihren Park am Rand des Agnesviertels, Irmgard Keun ihre Straße in Rodenkirchen und Hans Mayer seinen Weg an der Universität. Da fügte sich ein Straßenschild, auf dem der Name „Dieter Wellershoff“ zu lesen wäre, bestens ein. Und der Zeitpunkt könnte kaum günstiger sein, denn im nächsten Jahr wird an seinen 100. Geburtstag erinnert.
„Gut leben und arbeiten“ in Köln
In der Petition, die sich an die Bezirksvertretung Innenstadt richtet, wird kurz und bündig auf Dieter Wellershoffs literarische Leistungen hingewiesen – als Autor und als Förderer: „Das umfangreiche Werk des Schriftstellers umfasst Romane, Novellen, Lyrik, Hörspiele, Drehbücher, Bühnenstücke, autobiographische Werke und Essays. Mit der Begründung der ‚Kölner Schule des Realismus‘ in seiner Zeit als Lektor des Kölner Verlages Kiepenheuer & Witsch hat er Literaturgeschichte geschrieben, er ist Träger des Heinrich-Böll-Preises, Mitbegründer des Kölner Literaturhauses und Namensgeber des Dieter-Wellershoff-Stipendiums.“ Die neunbändige Werkausgabe, dies sei ergänzt, ist 2011 im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen; und der Roman „Der Liebeswunsch“ (2000) war der größte Publikumserfolg des Autors.
Der Stadt selbst, darauf wird in der Petition ebenfalls verwiesen, hat er mit dem Essayband „Pan und die Engel – Ansichten von Köln“ (1990), ein literarisches Denkmal gesetzt. Dort stellt er in dem Beitrag „Nachtspaziergänge in der Südstadt“ fest, dass man in Köln „gut leben und arbeiten“ könne. Woran das liege, vermöge er allerdings nicht zu sagen: „Ist es der lebenspraktische Realismus der Kölner, ihre Neigung, schwierigen Situationen lieber mit Kompromissbereitschaft als mit Prinzipien zu begegnen? Ist es vielleicht ihre historisch im Umgang mit fremden Menschen gewachsene Toleranz oder auch Gleichgültigkeit (‚Jeder Jeck ist anders‘), der jedermann ganz selbstverständlich seine Verschrobenheit zubilligt?“

Nachtspaziergänge im Quartier
Weiter beschreibt er in dem Essay seine Wege durch die Südstadt. Am späten Abend oder auch mal nachts machte er sich auf, um sich nach dem langen Sitzen am Schreibtisch zu bewegen und durchzuatmen. Auch um Abstand zu gewinnen von den „Gedanken und Phantasien“ beim Lesen und Schreiben. „Das Revier, das ich durchstreife, ähnlich wie ein Tier sein Territorium, liegt zwischen der Bonner Straße und der Rheinuferstraße, wird im Süden von dem Bahndamm begrenzt, der zur Südbrücke führt, umschließt also auch den Römer- und den Friedenspark. Es grenzt im Norden an das Stollwerkviertel, führt von der Bottmühle zur Severinskirche und noch ein großes Stück in die Severinstraße hinein. Von dort komme ich durch die Torburg zum Chlodwigplatz zurück, der das städtische Zentrum meines Reviers darstellt, räumlich aber an seiner Grenze liegt. Vielleicht nehme ich noch das Dreieck hinzu, das von Merowingerstraße und Rolandstraße gebildet wird. Seit fast zwölf Jahren wandere ich hier herum, wechsele nach Laune die Richtungen und die Straßenfolge. Überall gehe ich hier in meinen eigenen Spuren.“
Auf diesen Wegen habe er das Eierplätzchen, wie uns Irene Wellershoff auf Anfrage mitteilt, „unzählige Male“ überquert. Und gelegentlich habe er verweilt, „um den kleinen Konzerten zuzuhören, die dort stattfanden“. Es war also schon immer der Platz des Dieter Wellershoff. Da kann man diesem auch gleich den Namen des Autors geben. Und wenn dann in der Nachbarschaft weiterhin vom Eierplätzchen die Rede wäre, würde es Dieter Wellershoff gewiss nicht stören.
Martin Oehlen
Auf diesem Blog
haben wir den vom Germanisten Werner Jung herausgegebenen Band „Dieter Wellershoff – Verborgene Texte des Lebens“ (Aisthesis Verlag) anlässlich einer Veranstaltung im Literaturhaus Köln HIER vorgestellt.
Wer die Petition
unterzeichnen will, kann sich per Mail an die Initiatorin Irene Wellershoff wenden: Wellershoff.I@t-online.de
Die nächste Sitzung
der Kölner Bezirksvertretung Innenstadt findet statt am 7. November 2024, 16 Uhr, Rathaus Spanischer Bau, Theodor-Heuss Saal, Raum-Nr. A 119.