Habe die Ehre in Wien (2): Unsere Empfehlungen für Hausbesuche, Beisl und Kirchen – garantiert subjektiv

Anregungen für einen Aufenthalt in Wien, in einer der lebenswertesten Metropolen der Welt, liefert unsere kleine Reihe. Dreimal drei Schwerpunkte werden geboten. Zum Start gab es Hinweise auf Museen, Kaffeehäuser und Literaturstätten (HIER). Jetzt sind an der Reihe: Hausbesuche, Beisl und Kirchen. Und in Kürze folgt, was es sich zu Ausflügen, Restaurants und Lektüren sagen lässt. Das alles ist selbst getestet und garantiert subjektiv. 

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Hausbesuche

Farbenfroh und detailverliebt geht es im Ernst-Fuchs-Domizil zu. Foto: Bücheratlas/M. Oe.

P. P.: Ernst-Fuchs-Museum in der Otto-Wagner-Villa

Der Hausherr ist schon ein paar Jahre tot. Ernst Fuchs starb am 9. November 2015. Ernst Fuchs, der Mann mit dem Fez, den er stets trug. Ernst Fuchs, der Maler, Grafiker, Musiker und Bildhauer aus Wien, ebendort am 13. Februar 1930 geboren und 9. November 2015 gestorben. Zu Hause war der Mitbegründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus – zumindest zeitweise – in der Hüttelbergstraße 26 am Rande seiner Heimatstadt. Dort steht, umrahmt von Wald und einer heftig befahrenen Straße, eine prunkvolle Villa aus den 1880er Jahren: das heutige Ernst-Fuchs-Museum, erbaut von dem Jugendstilarchitekten Otto Wagner, der dort bis zum Jahr 1911 lebte. Fuchs erwarb das marode Gebäude im Jahr 1972 und ließ es vielfach umbauen. Neue Fenster, neue Türklinken, neue Lampen, neues Mobiliar. Das frühere Schlafzimmer des Ehepaares Wagner wurde zu einem unbedingt sehenswerten römischen Bad umgestaltet. Allein der Adolf-Böhm-Saal im Westflügel des Gebäudes atmet noch den Geist des österreichischen Ausnahmearchitekten, der hier sein Atelier hatte. Die bunten Glasfenster wurden nach Entwürfen von Adolf Böhm gestaltet und tauchen den Raum in ein Kaleidoskop aus buntem Licht.  In den übrigen Räumen dominiert die Kunst des Ernst Fuchs: monumentale Gemälde, fantastisch, voyeuristisch, manchmal fast geschmackslos. Wer das nicht mag, dem sei dennoch ein Hausbesuch in der Hüttelbergstraße ans Herz gelegt. Der Grund: das sagenhafte Brunnenhaus „Nymphäum Omega“ im Garten, gewidmet der Mutter Gottes und der Göttergestalt des Hermes Trismegistos. Kaum weiß man, wohin man zuerst schauen soll. Auf die farbige Fassade? Die üppigen Goldverzierungen? Hoch zum Dach, das an einen Rad-schlagenden Pfau erinnert? Im Inneren – man muss sich schlank machen, um durch die enge Tür zu kommen – geht das Staunen weiter. Bunte Kacheln, Spiegel, die die Pracht ins Unendliche fortzusetzen scheinen.  Man kann das Ganze als kitschig abtun. Die Autorin, ohnehin anfällig für die Buntheiten dieser Welt, findet das „Nymphäum Omega“ einfach wunderbar.

Ehedem ein Bauernhaus, heute ein Beethoven Museum – mit mediterran anmutendem Innenhof Foto: Bücheratlas/M.Oe.

M. Oe.: Beethoven-Museum in Heiligenstadt

Ja, ein Museum ist das Haus in der Probusgasse 6 im 19. Wiener Gemeindebezirk. Aber eben auch ein Ort, an dem sich Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) aufgehalten hat. Am 14. Juli 1802 notierte Beethoven in Heiligenstadt, in nächster Nähe zu den Weinbergen und den Heurigen: „Ich bin aufm Land und lebe ein wenig faul, um aber hernach wieder desto thäthiger zu leben.“ In dem Kurort jener Zeit, wo neben Wein auch Schwefelwasser kredenzt wurde, hat der Komponist nicht nur an Sonate („Sturm“) und Symphonie („Eroica“) gearbeitet. Auch das „Heiligenstädter Testament“ des 31 Jahre alten Musikers, in dem er über seine Ertaubung schreibt, ist hier entstanden. So fängt es an (in heutiger Rechtschreibung): „Oh, ihr Menschen, die ihr mich für feindselig, störrisch oder misanthropisch haltet oder erkläret, wie unrecht tut ihr mir, ihr wisst nicht die geheime Ursache von dem, was euch so scheinet…“ Ein verwinkeltes Gebäude mit idyllischem Innenhof und museal inszeniertem Garten. Allerlei Auskünfte gibt es beim Rundgang von Raum zu Raum. Dort kann man auch erfahren, dass Beethovens sehr zahlreiche Wohnungswechsel, innerhalb der Stadt und hinaus in die umliegenden Dörfer, in jener Zeit durchaus üblich gewesen seien: „Vor allem an zwei Tagen im Jahr, dem 23. April (Georgstag) und 29. September (Michaelitag) übersiedelten viele Stadtbewohner in eine neue Bleibe.“

Das Atelier von Gustav Klimt wird von einer später errichteten Villa umfangen. Foto: Bücheratlas/M.Oe.

Weitere Häuser, die wir empfehlen können:

das Haydnhaus in der Haydngasse 19 in Gumpendorf (mit einem Johannes-Brahms-Gedenkraum als Zugabe);

das Wittgenstein-Haus zwischen Parkgasse und Kundmanngasse (das Sitz der rumänischen Botschaft ist und für uns nur von außen einsehbar war);

das Hundertwasser-Haus in der Kegelgasse 37 (dessen Farben allerdings eine Auffrischung gebrauchen könnten; nicht zu verwechseln mit dem nahen Hundertwasser-Museum Kunst Haus Wien);

das Mozarthaus in der Domgasse (klar – das „Figaro-Haus“ ist stark frequentiert, aber was will man jammern, ist man doch selbst Teil des Andrangs);

das ehemalige Atelier von Gustav Klimt in der Feldmühlgasse 11 in Hietzing  (wird umfangen von einer später errichteten Villa und einem schönen Garten, in dem am Wochenende auch Gastronomie angeboten wird);

der Neidhart-Festsaal auf den Tuchlauben ist ein Tanzsaal aus dem 15. Jahrhundert, den der Tuchhändler Michel Menschein hat ausmalen lassen mit Szenen von Ballspiel, Veilchen suchenden Adligen und übergriffigen Männern;

das Pasqualati-Haus im Zentrum, in dem Ludwig van Beethoven mehrmals zwischen 1804 und 1815 gewohnt hat, was der Großzügigkeit seines Freundes Johann von Pasqualati (und später der Erbengemeinschaft) zu danken war, der die Wohnung freihielt, wenn der Meister mal andernorts weilte.  

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Beisl

Würstl mit Saft im Rebhuhn Foto: Bücheratlas/M.Oe.

P. P.: Gasthaus Rebhuhn in der Berggasse

Wir landeten nach einem Besuch im nahen Sigmund -Freud-Museum im Gasthaus Rebhuhn in der Berggasse 24. Ein sonniger Tag. Alle Tische auf dem Bürgersteig waren besetzt. So setzten wir uns in den holzgetäfelten Schankraum mit einer langen Theke und weißgedeckten Tischen. Auf der übersichtlichen Speisekarte wurde aufgelistet, was in einem ordentlichen Beisl auf der Speisekarte stehen sollte: Rindssuppe mit Frittaten, geröstete Knödel mit Ei und Salat, Wiener Schnitzel und Gebäck („Handsemmel, Salzstangerl oder Kornspitz“). Dazu eine Tageskarte:  Fleischstrudelsuppe und Blattsalate mit gebackenen Blunzenradeln, roten Rüben und Kren. Ich entschied mich für Würstel mit Saft für 6,80 Euro. Und bekam zwei heiße Würstchen in braunroter Gulaschsauce. „Semmel dazu?“ Aber gern. Und bitte einen großen Löffel. Wir wollten wiederkommen an einem der kommenden Tage und schafften es leider nicht. Doch das wird nachgeholt beim nächsten Wienbesuch.

Das Gasthaus Ubl hat alles, was ein Beisl braucht. Foto: Bücheratlas / M. Oe.

M. Oe.: Gasthaus Ubl in der Preßgasse

Von diesem Etablissement ist in Michael Köhlmeiers jüngstem Roman „Das Philosophenschiff“ (Hanser) die Rede. Dort informiert eine Wien-Kennerin den Ich-Erzähler anlässlich eines Besuches in dem Gasthaus, dass das Essen „einmal sehr gut, dann wieder mittelmäßig bis schlecht“ sei. „Der Grund, das Wirtshaus gehöre zwei Schwestern, die miteinander streiten, weshalb sie sich aufteilen, eine Woche die eine, die andere Woche die andere, jede jeweils mit eigenem Team. Das eine Team aber sei gut, das andere nicht.“ Allerdings gibt es noch einen Nachsatz: „Das Gerücht gehöre zum Sagenschatz der Stadt, weshalb man sich nicht darauf verlassen dürfe.“ Als wir das erste Mal dort essen (und sehr zufrieden sind), kommen wir mit einem Ehepaar ins Gespräch, das hier regelmäßig speist – und ungefragt genau diese Geschichte von den zwei Schwestern erzählt, die angeblich durchaus unterschiedlich zu Werke gehen. Bei der Schilderung senken die beiden ihre Stimmen, als der Wirt am Nebentisch die Wiener Schnitzel serviert. Doch auch als wir ein zweites Mal im Ubl sind, im Garten unter Bäumen sitzend und nicht im Schankraum neben dem Ofen, genießen wir das Essen dort: einfach, aber gut! Die Sage ist eben das eine, die Speise das andere.

Weitere Wirtshäuser, die wir empfehlen können:

Tischdekoration in der „Eisernen“ am Naschmarkt Foto: Bücheratlas/M. Oe.

Zur Eisernen Zeit ist angeblich das älteste Gasthaus am Naschmarkt;

D’Landsknecht in der Porzellangasse;

Gastwirtschaft Steman in der Otto-Bauer-Gasse (gegenüber vom Jelinek);

Café Anzengruber – trotz des Namens eher ein Wirtshaus – in der Schleifmühlgasse;

S’Biergartel im Stadtpark;

Gasthaus Grünauer in der Hermanngasse (wo die Wasserkaraffe als „Chateau Leitung“ kredenzt wird);

den Schnitzelwirt in der Neubagasse haben wir ausgelassen, weil wir nicht in der Schlange auf dem Bürgersteig anstehen wollten.

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Kirchen

Jesuitenkirche mit Scheinkuppel Foto: Bücheratlas/M. Oe.

M. Oe.: Jesuitenkirche am Ignaz-Seipel-Platz

Der Platz, an dem Jesuitenkirche und Alte Universität gelegen sind, ist schon mal recht einladend. Den Namen hat er vom österreichischen Bundeskanzler Ignaz Seipel, der in den 1920er Jahren zweimal die Regierungsgeschäfte leitete. Zwar verlocken hier keine Bank und kein Bistro zum Verweilen. Dennoch genießt das touristische Publikum die geschlossene Anlage. Und dann hinein in die Jesuitenkirche. Die Grundmauern stammen aus dem frühen 17. Jahrhundert, die hochbarocke Umgestaltung aus dem beginnenden 18. Jahrhundert. Wohin geht der Blick zuerst? Hinauf in die Kuppel, wo Andrea Pozzo seine Trompe-l’oeil-Tricks präsentiert? Oder doch gleich zu den Säulen, die variantenreich in Form und Farbe zu paradieren scheinen? Wie auch immer – ein barockes Fest. Und anders als im Stephansdom oder in Karlskirche muss man für die Visite nicht bezahlen.

Baldachin mit Engeln über dem Hochaltar Foto: Bücheratlas/M. Oe.

P. P.: Otto-Wagner-Kirche am Steinhof

Okay, man muss das mögen. Die Fahrt hinaus aus dem Zentrum zur Baumgartner Höhe 1 am Rand von Wien. Den Gang durch das Gelände der ehemaligen „Niederösterreichischen Landes-Heil- und Pflegeanstalten für Nerven- und Geisteskranke“. Schließlich den Anstieg zum höchsten Punkt des weitläufigen Geländes. Doch die Mühe lohnt sich. Denn hier oben steht die interessanteste und außergewöhnlichste Kirche Wiens: die Otto-Wagner-Kirche am Steinhof. Ein „Schlüsselwerk der Architektur des 20. Jahrhunderts“, so steht es in dem Faltblatt, das man am Eingang erhält. Ein bis ins letzte Detail stimmiges Gesamtkunstwerk, möchte man hinzufügen. Erbaut wurde es zwischen 1902 und 1906 nach – der Name verrät es bereits – den Plänen des Jugendstil-Architekten Otto Wagner. Der Mann prägte seinerzeit entscheidend das Stadtbild von Wien. Er entwarf Wohnhäuser und öffentliche Bauten wie die Wiener Postsparkasse, gestaltete die Haltestellen der Wiener Stadtbahn und die Inneneinrichtung der Hofsalonwagen. Um nur einige seiner Projekte zu nennen. Die Kirche am Steinhof besticht durch eine weithin sichtbare goldene Kuppel und eine Innengestaltung, die auf die Bedürfnisse ihrer geistig und psychisch eingeschränkten Besucherinnen und Besucher abgestimmt war. Kurze Kirchenbänke, damit im Bedarfsfall schnell Hilfe zur Stelle ist, offene Beichtstühle, ein leicht abschüssiger Boden. Staunen macht vor allem die elegant anmutende Innengestaltung: die großen Glasmosaikfenster, die Wandmosaiken, die goldverzierte Decke und der Hochaltar, der überdacht wird von einem goldenen Baldachin. Also: Platz nehmen auf einer der kurzen Bänke und sich viel Zeit lassen zum Schauen. 

Weitere Orte, an denen man Otto Wagners Kunst begegnen kann:

Leben und Werk Otto Wagners sind in dem von ihm entworfenen ehemaligen Stadtbahn-Pavillon am Karlsplatz zu besichtigen. Im gegenüberliegenden Pendant befindet sich ein Bistro. Foto: Bücheratlas/M. Oe.

Der Otto-Wagner-Pavillon am Karlsplatz dokumentiert Leben und Werk des Architekten in einem von ihm für die Wiener Stadtbahn entworfenen Gebäude;

das Postsparkassenamt nahe am Stubenring (mit Scheinnieten an der Fassade und enormer Halle);

das Majolika-Haus am Naschmarkt;

die Nussdorfer Wehr- und Schleusenanlage, fernab des Zentrums an der Donau, ganz in Grün und von Löwen bewacht.

Nun noch Alternativen zum Kirchenbarock? Bitteschön:

Die russisch-orthodoxe Kathedrale zum heiligen Nikolaus in der Jaurèsgasse (reich an Ikonen, die von den Gläubigen mit Küssen bedacht werden);

die Ruprechtskirche als älteste Kirche im sogenannten Bermudadreieck in der Inneren Stadt (nicht imposant, aber anrührend). 

Auf diesem Blog

findet sich HIER der erste Teil unserer Wien-Empfehlungen. In Kürze folgt der dritte und letzte Teil.

Auch haben wir Michael Köhlmeiers Roman „Das Philosophenschiff“ (Hanser), der zu Jahresbeginn erschienen ist und in dem das Gasthaus Ubl erwähnt wird, HIER vorgestellt.

2 Gedanken zu “Habe die Ehre in Wien (2): Unsere Empfehlungen für Hausbesuche, Beisl und Kirchen – garantiert subjektiv

  1. Lieber Herr Oehlen,

    Gerade fliege ich über Ihre Wien-Empfehlungen, Stichwort Wittgenstein-Haus, das Sie nicht besichtigen konnten, wie schade. Ich hatte vor über 10 Jahren das Glück, sozusagen eine Privatführung von dem Hausmeister? / Portier? zu bekommen, als im EG gerade eine Ausstellung aufgebaut wurde. Am interessantesten war der Keller. Den hatte man in eine Art Gewölbe umgebaut, Höhlenanmutung gegen den rechten Winkel. Der Heizungskeller hat eine Dimension, die man sich für ein Privathaus, auch für ein Palais, kaum vorstellen kann. Am befremdlichsten waren die Riesen-Eisenplatten, die während der Abwesenheit der Familie vom Keller aus vor die Fenster hoch gezogen wurden, um das Haus einbruchsfest zu machen.

    Immer wieder schön, die kleinen Seitenbemerkungen in Ihrem Blog.

    Herzlich Gabriele Wix

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