
Dreißig Jahre sind vergangen, seit Callum Haffenden Granite Creek verlassen hat. Granite Creek im australischen Regenwald, wo Kinder von einer Felskante in den Tod springen und er als Jugendlicher bei einem Sturz in das „Meer aus Stein“ ein halbes Bein verlor. Nie wieder, schwor der 17-Jährige damals, werde er nach Granite Creek zurückkehren. Doch als er hört, dass ein junger Mann im Regenwald vermisst wird, bricht der Journalist seinen Schwur. Callum Haffenden reist nach Granite Creek und beteiligt sich an der Suche nach dem Feuerwehrmann Lachlan Wyatt, den er für seinen Sohn hält.
Ein Dankeschön an die Übersetzerin
„Der flüsternde Abgrund“ ist der erste Kriminalroman der Australierin Veronica Lando. Die Buchhändlertochter aus Melbourne hat bereits zwei Romane und mehrere Kurzgeschichten veröffentlicht, ein drittes Werk soll 2024 erscheinen. In ihrem Heimatland wird sie bereits als „fantastische neue Stimme Australiens“ gehandelt – ein fettes Lob, das durch mehrere Preise untermauert wird. In der Tat ist „Der flüsternde Abgrund“ ein erstaunliches Debüt. Hier stimmt alles: der Plot, die Aufbereitung der vielschichtigen Geschichte, deren sprachliche Umsetzung (ein großes Dankeschön an Übersetzerin Karen Witthuhn).
Callum Haffenden, ein bekannter Journalist, ist nicht bei jedermann in Granite Creek willkommen. Vor allem sein alter Widersacher Brett Wyatt macht ihm unmissverständlich klar, dass er so schnell wie möglich verschwinden soll. Brett hat Callums Jugendliebe Pip geheiratet und Lachlan gilt als sein Sohn. Kurz nach seiner Ankunft wird in Callums Hotelzimmer eingebrochen, er wird beschimpft, bedroht und schließlich zusammengeschlagen. Doch Callum bleibt.
Die Stimmen im Wald
Inzwischen ist Lachlan im „Meer aus Stein“ tot aufgefunden worden, und Callum glaubt nicht an einen Unfall. Zumal „Lachie“ beileibe nicht der nette Kerl war, als den seine Kollegen von der Feuerwehr ihn schildern. Keine Frau sei vor ihm sicher gewesen, aggressiv und gewalttätig sei er gewesen, erzählt eine alte Bekannte, die selbst ein Opfer des frauenverachtenden Machos wurde. Und dann ist da noch die Legende vom flüsternden Wald, der seine Opfer angeblich dazu verleitet, in den Abgrund zu springen. Hat Lachie womöglich Stimmen gehört, die ihn zum Sprung in den Tod drängten?
Gemeinsam mit dem Protagonisten taucht man tief ein in die Geheimnisse von Granite Creek, das im Dauerregen des australischen Sommers zu versinken droht. Ein in jeder Hinsicht vielversprechendes Debüt, das auch dem Unheimlichen Raum gibt.
Petra Pluwatsch
Veronica Lando: „Der flüsternde Abgrund“, dt. von Karen Witthuhn, Suhrkamp, 370 Seiten, 18 Euro. E-Book: 15,99 Euro.
