Prophetin aus der Nordsee: „Das strömende Grab“ von Robert Galbraith alias J. K. Rowling ist der siebte Band der Cormoran-Strike-Reihe

Foto: Bücheratlas

Satte 1296 Seiten – so umfangreich ist „Das strömende Grab“, der jüngste und siebte Band der Cormoran-Strike-Reihe von Robert Galbraith. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich die Harry-Potter-Autorin J. K. Rowling, die sich nach dem Abschluss der erfolgreichsten Fantasy-Serie der Welt aufs Krimischreiben verlegt hat. Eine Entscheidung nicht ohne Tücken.

Autorin in der Kritik

„Böses Blut“, Band fünf der Serie (und auf diesem Blog HIER besprochen), zementierte ihren Ruf, eine „transphobe Bitch“ zu sein. Rowlings Vergehen: Einer der Verdächtigen soll sich seinen Opfern in Frauenkleidern genähert haben. Band sechs, „Das tiefschwarze Herz“, machte die Sache nicht besser. Die Autorin taucht darin tief ein in die Social-Media-Welt, in der hemmungslos gehetzt, gestalkt und gehatet werden darf. Und handelte sich damit den Vorwurf ein, auf diese Weise ihre eigenen negativen Erfahrungen verarbeitet zu haben und sich selbst reinwaschen zu wollen.

In Band sieben begibt sich Rowling auf persönlich weniger verfängliches Terrain. „Das strömende Grab“ thematisiert das unheilvolle Treiben einer Sekte, die es vor allem auf eine wohlbetuchte Klientel und deren üppige Spenden abgesehen hat. Wer ihrer Gemeinschaft beitrete, der könne die Welt retten, verheißt der charismatische Gründer der „Universal Humanitarian Church“, Jonathan Wace.

Undercover in der Sekte

„Papa J.“, wie ihn seine Anhängerinnen und Anhänger nennen, ist ein Seelenfänger, dessen Gefolgschaft in Großbritannien, in Deutschland und den USA in die Hunderttausende geht. Im Zentrum seines kruden Glaubenskonstrukts: die „ertrunkene Prophetin“. Die Siebenjährige – seinen Aussagen nach seine leibliche Tochter – ist bei einem frühmorgendlichen Bad in der Nordsee ertrunken, kann sich jedoch bei Bedarf materialisieren und versetzt die staunenden Sektenmitglieder regelmäßig in Angst und Schrecken.

Cormoran Strike und Robin Ellacott werden vom Vater eines Sektenmitglieds beauftragt, den Sohn aus den Fängen der „Universal Humanitarian Church“ zu befreien. Zu diesem Zweck sollen die Privatermittler belastendes Material gegen Jonatan Wace und dessen Ehefrau Mazu sammeln. Eine Aufgabe, die Robin Ellacott zufällt. Unter falschem Namen schleust sie sich auf einer Farm der Sekte ein und tritt der Glaubensgemeinschaft zum Schein bei.

Psychodruck und Gehirnwäsche

Überzeugend schildert Rowling den Psychodruck, dem die Sektenmitglieder 24 Stunden am Tag ausgesetzt sind, um sie zu willfährigen Helfern eines faschistoiden, zutiefst menschenverachtenden Systems zu machen. Selbst Robin Ellacott kann sich nur mit Mühe den Folgen einer fortwährenden Gehirnwäsche entziehen und mutiert von einer selbstbewussten Frau zum ängstlichen Seelchen, das sich vor der ertrunkenen Prophetin fürchtet.

Keine Frage, ein spannendes Thema, dazu gut recherchiert und perfekt in Szene gesetzt. Rowling ist eine begnadete Geschichtenerzählerin, wie nicht nur ihre Harry-Potter-Reihe beweist. Indes: Manchmal gehen die Pferde mit ihr durch. Sprich: Sie kann nicht mehr aufhören zu erzählen. So bekommt die Geschichte noch eine und noch eine und noch eine Drehung. Auch manche Dialoge hätten durchaus einige Kürzungen vertragen. Doch wer zu einem Buch von Robert Galbraith greift, der weiß, worauf er sich einlässt: Auf eine gut geschriebene, üppig erzählte und weitverzweigte Geschichte. Das muss man – so wie die Rezensentin – mögen. Oder man muss die Finger von Robert Galbraith‘ Büchern lassen.

Petra Pluwatsch

Auf diesem Blog

haben wir schon einige Bände der Cormoran-Strike-Reihe besprochen – und zwar „Böses Blut“ (HIER) und „Weißer Tod“ (HIER).

Robert Galbraith: „Das strömende Grab“, dt. von Wulf Bergner, Christoph Göhler und Kristof Kurz, Blanvalet, 1296 Seiten, 29,90 Euro. E-Book: 20,99 Euro.

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