
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker ist beeindruckt. Bei der Vorstellung des Bandes „Köln – Bilder einer großen Stadt“ im Greven Verlag bekannte sie: „Sowas habe ich noch nicht gesehen.“ Alles prima, also? Im Prinzip: Ja-ja-ja. Aber den Untertitel, merkte sie augenzwinkernd an, hätte sie anders formuliert. „Für mich“, versicherte sie, „ist Köln eine Weltstadt.“ Nicht nur eine große Stadt. Allerdings räumte sie umgehend ein, dass sie über diese Einordnung mit ihrem Ehemann, der aus Australien stammt, hin und wieder diskutieren müsse.
Buchcover ohne Dom
Der Fotograf Reinhard Matz hat bei Greven – gemeinsam mit Wolfgang Vollmer – bereits vier eindrucksvolle Bildbände zum historischen Köln herausgegeben: Köln vor, im und nach dem Zweiten Weltkrieg sowie „Köln von Anfang an“. Nun lässt er die Vergangenheit hinter sich und blickt auf die Stadt, wie sie sich ihm heute vor der Kamera präsentiert.
Dass auf dem Buch-Cover nicht der Kölner Dom zu sehen ist, darf als programmatisch angesehen werden. Die Intention ist offenkundig: Es soll ein frischer und kein konventioneller Blick auf die Stadt geworfen werden. Dennoch – ist ja klar – wird die Kathedrale angemessen und gleich auf den ersten Seiten gewürdigt.
Da ist etwas zusammengewachsen
Der Bildband schaut auf die ganze Stadt und belässt es nicht bei den touristischen Attraktionen. Ausdrücklich widmet sich Reinhard Matz der rechten Rheinseite. Ihm geht es dabei um den Nachweis, wie er bei der Buchvorstellung sagte, dass die durch den Strom geteilte Stadt längst zusammengewachsen sei. Schaute ehedem die eine Seite auf die andere Seite herab, so ist die „schäl Sick“ heute eine munter klopfende Herzkammer der Metropole – mit Messe, Schauspiel, Arena, Oper, Technischem Rathaus und vielem mehr.
Reinhard Matz gelingt bei seiner Stadtwanderung eine fotografische Fixierung des kölnischen Status Quo. Das Weltberühmte und das Wenigbekannte finden zusammen, das Leerfotografierte und die Rarität. Freundliches Sonnenlicht und ein akkurater Bildschnitt dominieren. Der Fotograf zielt bei Gebäuden oder Straßenfluchten nicht auf eine eigenwillige Perspektive oder ein kurioses Arrangement, sondern auf eine anschauliche Dokumentation.
Boule-Spiel und Bettlerin
Die Atmosphäre verdichtet sich immer dann, wenn Menschen ins Bild geraten. Stimmungsstark wird eine Boule-Partie vor violettem Abendhimmel in Nippes festgehalten. Und die knieende Bettlerin am Dom fügt sich mit den Steinfiguren an der Fassade, die starr über sie hinwegschauen, zu einer imposanten, anrührenden Skulpturengruppe.
Einen begleitenden Text zu dem Bilderreigen hat Anna Mayr beigesteuert, die im Ruhrgebiet geboren wurde, in Köln studiert hat und in Berlin lebt. Momentaufnahmen mit Überraschungen: „Andere bekannte Veedel sind das studentische Agnesviertel, das historische Severinsviertel oder die schicke Südstadt.“ Studentisch, historisch, schick – da könnten manchem und mancher erst einmal ganz andere Stadtteile einfallen.

„Freunde finden, ohne sie zu suchen“
Am Ende des Buches angekommen, nach 396 Abbildungen, weiß man ein bisschen besser, wie die Stadt tickt. Auch als Nichtkölnerin oder Nichtkölner. Dass es hier nicht prätentiös zugeht, sondern eher entspannt, und dass nicht alles aufgeräumt ist, aber immerhin vital – das sieht man diesen Aufnahmen an. Und für alles andere, also den kompletten Eindruck, dient der Bildband als Einladung, sich selbst einmal in der Stadt umzuschauen.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker macht Mut: „Man kann in Köln Freunde finden, auch ohne sie zu suchen.“ Als sie kürzlich in ein Taxi gestiegen sei, habe der Fahrer bereits nach einer Minute gesagt: Da man sich ja nun schon kenne, könne er doch seinen Verwandten im Rathaus vorbeischicken, der einen Job bei der Stadtverwaltung suche.
Martin Oehlen
Reinhard Matz und Anna Mayr: „Köln – Bilder einer großen Stadt“, Greven Verlag, mit einem Beileger in englischer Sprache, 280 Seiten, 48 Euro.
