Natürlich ist Paris so bekannt, wie eine Weltmetropole nur bekannt sein kann. Aber vielleicht gibt es ja doch ein paar Orte, die nicht jedem und jeder vollauf vertraut sind. Vier Wochen waren wir in der freundlichen Stadt. Nun stellen wir in einer radikal subjektiven Auswahl vor, was und wo es uns besonders gut gefallen hat. Zum Start unserer Reihe voller Tipps fahren wir einmal mit dem Linienbus quer durch die französische Hauptstadt.
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„Bonjour“ zum Fahrtantritt
Das „Sexodrome“, gleich neben der Bushaltestelle, hat bereits am Morgen geöffnet. Entrée libre. Freier Eintritt im „Love Store“. Wir verzichten auf einen Besuch. Wir wollen Bus fahren. Mit der Linie 30 einmal quer durch Paris von der Place Pigalle im 9. bis zur Place Balard im 15. Arrondissement. Es ist eine Stadtrundfahrt der anderen Art.
Busfahren in Paris macht Spaß. Keine endlos langen Gänge und steilen Treppen hinab zur Métro (und, noch schlimmer, später wieder hinauf), keine überfüllten Wagen, in denen Menschen, die wie die Autorin zur Platzangst neigen, an ihre Grenzen kommen. Dafür Busfahrerinnen und Busfahrer, die jeden Gast mit einem Nicken und einem freundlichen „bonjour“ begrüßen. Meistens gibt es genügend freie Sitzplätze und für wenig Geld (Einzelticket 2 Euro) ein Stadtpanorama vom Feinsten.
„Moulin Rouge“ glitzert noch nicht
27 Stationen liegen vor uns bis zu unserem Ziel im Südwesten der Stadt. Kleiner Tipp vorab: Auf der rechten Seite hat man den besseren Blick auf die Sehenswürdigkeiten jenseits der Scheibe. Um 11.20 Uhr geht es los. Außer uns sind nur noch vier weitere Fahrgäste im Bus, doch das wird sich schnell ändern. Wir schwenken ein auf den Boulevard de Clichy und fahren vorbei an „Moulin Rouge“, dem berühmten Varieté von Paris. Klein und unspektakulär sieht es im Tageslicht aus, eine Schöne der Nacht, die erst nach Einbruch der Dunkelheit ihren Lichterzauber entfaltet.
Prachtvolle Wohnhäuser aus dem 19. Jahrhundert, die Dächer bestellt mit Dutzenden Schornsteinen, säumen die Boulevards, auf denen wir Richtung Zentrum fahren. Nahtlos gehen der Boulevard de Clichy, der Boulevard des Batignolles und der Boulevard des Courcelles ineinander über. Die Seitenstraßen, in die wir im Vorüberfahren kaum mehr als einen schnellen Blick hineinwerfen können, wirken nicht minder prächtig, und fast sind wir geneigt, an einer der vielen Haltestellen kurz auszusteigen und wenigstens ein paar Schritte hineinzutun in die unbekannten Straßen und Gassen.

Busfahren macht neugierig
Busfahren, wir merken es schnell, macht neugierig. Es eröffnet – zumindest für Menschen mit etwas Zeit – eine Vielzahl neuer Perspektiven auf diese wunderbare Stadt.
Rechts – wir überqueren gerade die Place de Clichy – taucht das Café Wepler auf. Von ihm soll im Laufe unserer Paris-Reihe noch die Rede sein. Aber schon jetzt steht fest: Wir werden das Traditionslokal ein paar Tage später besuchen. Links, am Boulevard des Courcelles, befindet sich der Parc Monceau mit seiner schönen Rotunde. Er wurde von Louis-Philipp-Joseph, Herzog von Orléans, initiiert und im Jahr 1769 eröffnet. Der Beschluss bei der Vorbeifahrt steht sofort fest: Auch diesem Kleinod, von dessen Existenz wir bislang nichts wussten, werden wir an einem der folgenden Tage einen Besuch abstatten.


Neuland in Sicht
Schon rollen wir auf den von Menschenmassen umlagerten Arc de Triomphe zu, umkreisen ihn einmal – kein Hop-on-Hop-off-Bus könnte es besser machen – und biegen ein auf die Avenue Kléber. Sie überzeugt mit ihren gepflegten Wohnhäusern und den hohen Platanen, mit ihren Bistrots und den schönen alten Jugendstil-Schildern, die die Métro-Eingänge markieren. Der Bus ist nun gut ausgelastet, aber nicht überfüllt.
Vorbei am Eiffelturm geht es weiter an der Rive Gauche, am linken Ufer der Seine. Und wieder betreten, nein, sichten wir Neuland: den Pont de Bir-Hakeim. Eine eiserne Doppeldeckerkonstruktion, die als eine der schönsten Brücken von Paris gilt. Nein, sie werden wir bei unserem Parisaufenthalt nicht besuchen. Nicht für alles reicht die Zeit.
Schwaneninsel mit Freiheitsstatue
Mitten im Fluss erstreckt sich schmal wie ein Aal die rund 850 Meter lange und nur acht Meter breite Île aux Cygnes, eine künstliche Insel, aufgeschüttet im Jahr 1825. Am westlichen Ende der Schwaneninsel steht eine knapp zwölf Meter hohe Kopie der amerikanischen Freiheitsstatue. US-amerikanische Bürger, die in Paris lebten, hatten sie 1889 der Stadt geschenkt. Am rechten Seine-Ufer machen wir das „Maison de la Radio et de la Musique“, das Funkhaus von Radio France, aus.
Allmählich verändert Paris sein Gesicht. Hochhäuser, moderne Geschäfte und ebensolche Bistrots dominieren das Straßenbild des 15. Arrondissements. Im Bus Nummer 30 sind inzwischen wieder viele Plätze frei. Jetzt ist es nicht mehr weit zur Place Balard, einem lebhaften, verkehrsreichen Platz mit mehreren Restaurants. Dort steigen wir aus. Der Busfahrer ruft uns noch ein freundliches „Au revoir“ hinterher – er wird gleich die Endstation erreichen, das „Hôpital européen Georges-Pompidou“.

Bahnstrecke für Fußgänger
In der gemütlichen Brasserie „Le Terminus Balard“ (Werbeslogan: „Typische französische Küche im Herzen von Paris-Balard“) kehren wir ein. Der Service ist angenehm, das Essen gut und preiswert, die Terrasse mit Blick auf den Platz bestens geeignet, um das Leben im Viertel zu beobachten.
Wem anschließend nach einem Spaziergang zumute ist: Von der Place Balard sind es nur ein paar Schritte zur stillgelegten Bahnstrecke Petite Ceinture, erreichbar über eine leicht zu erklimmende Treppe oder einen Aufzug an der Rue Leblanc. Die zweigleisige Bahnlinie aus dem 19. Jahrhundert umrundet ganz Paris und wurde bis in die 1930er Jahre für den Personenverkehr genutzt. Einige Abschnitte in verschiedenen Arrondissements sind inzwischen frei zugänglich, und man kann bequem neben den alten, von Unkraut überwucherten Schienen entlangspazieren.

Zurück ins Zentrum sind wir übrigens mit der Métro gefahren. Das ging schneller als mit Bus Nummer 30. Die Fahrt durch den Pariser Untergrund war aber nicht annähernd so spannend.
Petra Pluwatsch
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Auf diesem Blog
geht es weiter mit einem ersten Rundgang zu literarischen Orten in Paris.