
Kein Brot, nirgends. Einerseits war das nicht so toll, andererseits ein extrem gutes Zeichen. Denn zur Premiere der „Lunch Lectures“ in der Stadtbibliothek Köln war der Publikumsandrang viel größer als vermutet. Vorneweg war jedem Gast eine besondere Stulle („Erbsen/Basilikum“) zugesagt worden, die den Lesungs-Genuss begleiten sollte. Aber wer rechnet schon damit, dass sich so viele Literaturfreunde und -freundinnen auf dieses neue Angebot einlassen würden.
Veranstalterinnen sind „heartbroken“
Sie seien „heartbroken“, bekannten zur Begrüßung Kathrin Röggla und Monika Rinck, dass die Versorgungslage so sei wie sie sei. Immerhin hatten die Dozentinnen von der Kunsthochschule für Medien (KHM), die diese Initiative gestartet hat und mit der Stadtbibliothek realisiert, einen Trost parat: Es seien noch Äpfel da.
Die KHM versteht die „Lunch Lectures“ als kurze und persönliche Reisen durch die Literaturgeschichte der letzten 70 Jahre. Eingeladen sind Autorinnen und Autoren der Region, die in einer halben bis dreiviertel Stunde eine Person nebst Werk vorstellen: „Von ewigen Klassikern bis zu fast vergessenen Schätzen ist alles Denkbare dabei.“ Weil die Kunsthochschule für Medien seit 35 Jahren in Köln beheimatet ist, sollen es auch 35 Mittagessen-Lesungen sein. Wenn diese wie geplant im Zwei-Wochen-Rhythmus stattfinden, kommt man damit weit ins nächste Jahr. Eine literarische Verköstigung bei freiem Eintritt.

„Wir machen weiter“
Zum Auftakt stellte Simone Scharbert, deren jüngste Romanbiografie „Für Anna“ wir HIER vorgestellt haben, Ilse Aichinger und ihre Kurzgeschichte „Wo ich wohne“ vor. „Machen Sie es sich gemütlich“, schlug sie vor. Wie es Simone Scharbert sodann in der Kürze der Zeit gelang, für höchste Konzentration zu sorgen, war bemerkenswert: Mit warmer Stimme, dezentem Fingerzeig und hoher Wachsamkeit für den Text. Anfangs wurde noch da und dort geknabbert, auch an Broten und vor allem an Äpfeln. Aber bald schon war es mucksmäuschenstill.
Einmal nur störte eine Lautsprecher-Durchsage über alle Etagen hinweg. Derzufolge sollten sich die Schülerinnen und Schüler einer Gesamtschule an einem ihnen bekannten Versammlungsort einfinden. „Wir machen jetzt weiter!“, sagte eine entschiedene Pädagoginnen-Stimme. Simone Scharbert pausierte nur kurz und sagte ihrerseits: „Wir machen auch weiter!“ Nämlich im Text der Ilse Aichinger. Und in zwei Wochen mit den „Lunch Lectures“. Dazu noch ein sachdienlicher Hinweis: Beim nächsten Mal, wenn Angela Steidele mit Ulla Hahns Roman „Das verborgene Wort“ aufwartet, soll es mehr Brotstullen geben. Das sind doch Perspektiven, die es in sich haben.
Martin Oehlen
Auf diesem Blog
haben wir Simone Scharberts jüngste Veröffentlichung „Für Anna“ HIER vorgestellt.
Weitere Termine
der „Lunch Lectures“ im Interim der Stadtbibliothek Köln auf der Hohe Straße, Ecke Schildergasse, jeweils um 13.15 Uhr:
- 19. 11. 2025: Angela Steidele präsentiert Ulla Hahn
- 3. 12. 2025: Lütfiye Güzel präsentiert Fernando Pessoa
- 7. 1. 2026: Rebekka Endler präsentiert Irmtraud Morgner
- 21. 1.2026: Nadja Küchenmeister präsentiert Denis Johnson
- 4. 2. 2026: Christoph Danne präsentiert Aglaja Veteranyi