
Vor 18 Jahren hat Fin Macleod die Hebrideninsel Isle of Lewis verlassen, fest entschlossen, nie mehr auf das windumtoste Eiland vor der Nordwestküste Schottlands zurückzukehren. Zu bitter sind die Erinnerungen an den Unfalltod der Eltern und eine Kindheit und Jugend, die von Vernachlässigung und Lieblosigkeit geprägt war. Erst ein bizarrer Mordfall führt den Mordermittler wieder in seine alte Heimat.
Angus Ruadh, Spitzname Angel, ein stadtbekannter Schläger und Säufer, ist tot aufgefunden worden. Der Mann wurde aufgehängt und zusätzlich mit einem Messer aufgeschlitzt. Seine Kleidung ist verschwunden, und in seinem Blut findet sich ein Betäubungsmittel. Ein Selbstmord war das nicht.
Die Tat eines Serienkillers?
Die Vorgehensweise des Täters erinnert an einen ähnlichen Fall auf dem Festland, mit dessen Aufklärung Mcleod wenige Monate zuvor betraut war. Ist „Angel“ das Opfer eines Serienkillers geworden? Oder war hier ein Nachahmungstäter am Werk?
Die Ermittlungen konfrontieren Fin Mcleod schon bald mit den Gespenstern seiner Vergangenheit. Da ist sein Kinderfreund Artair, der ihm bei der Beerdigung seiner Eltern beistand und jetzt ein übergewichtiger Säufer ist. Da ist seine Ex-Freundin Marsaili. Einen Sommer lang waren sie ein Paar, bis Fin seine erste große Liebe betrog. Jetzt ist Marsaili mit Artair verheiratet und hat ein Kind mit ihm.
Ansichten von den Hebriden
Geschickt verwebt der schottische Krimiautor Peter May in seinem Spannungsroman „Die Vogelinsel“ Fin Mcleoads Kindheitserinnerungen mit den gegenwärtigen Ereignissen. Der Mörder, das ist schnell klar, muss aus dem früheren Umfeld des Ermittlers stammen. Auch das Motiv für die Bluttat scheint in der Vergangenheit zu liegen. Kein Wunder also, dass nicht jeder auf der Isle of Lewis glücklich ist über Fin Mcleods Rückkehr.
„Die Vogelinsel“ ist der erste Band einer Reihe, die ursprünglich als Trilogie geplant war. Erschienen ist er bereits 2011 und war in Peter Mays Heimat, ebenso wie die beiden Nachfolgebände, ein großer Erfolg. 2024 ist nach einer langen Pause ein vierter Band dazugekommen. Peter May punktet mit einer guten Schreibe (ein Dank auch an die beiden Übersetzer) und einer ebenso guten Story. Man erfährt außerdem eine Menge über das Leben auf den Hebriden, ohne dass der Krimi zu einem Reiseführer verkommt. So darf man gespannt sein auf die Fortsetzung: Die nächsten drei Bände sollen im Laufe des Jahres 2026 in deutscher Übersetzung erscheinen.
Petra Pluwatsch
Peter May: „Die Vogelinsel“, dt. von Anke und Eberhard Kreuzer, Kampa, 416 Seiten, 19,90 Euro. E-Book: 14,99 Euro.
