Ein Schwerpunkt des Kulturprogramms „Nimm Platz“ auf dem Kölner Neumarkt ist das tägliche Literaturangebot, das von der Literaturszene Köln kuratiert wird. Mittlerweile haben wir hier über Auftritte von 20 Autorinnen und Autoren berichtet (die Links gibt es am Ende des Beitrags). Diesmal war Adrian Kasnitz zu Gast im Gelben Pavillon.
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So schnell kann es gehen: Schon ist die finale Woche des Kölner „Literatursommers“ eingeläutet. Seit dem 9. Juli ist er auf dem Neumarkt das leuchtende Elementarteilchen der Initiative „Nimm Platz“, die die Kulturverwaltung gemeinsam mit der Freien Szene realisiert. Zum einen versteht sich das Programm im Gelben Pavillon als Schaufenster für die künstlerische Vielfalt in der Stadt, zum anderen ist es der Versuch, den Neumarkt als attraktiven Platz zurückzugewinnen und ihn nicht der Verelendung zu überlassen.
Beide Ziele sind selbstverständlich vom Feinsten. Und immerhin: das mit dem Schaufenster klappt gut. Wer sich beispielsweise auf die Lesungen einlässt, dem wird ein wirklich staunenswertes Spektrum geboten – vom Comic bis zum Krimi, vom süffigen Sachbuch bis zum hochgetrimmten Lyrikband.
Gastland Slowenien
Nun steuerte Adrian Kasnitz eine weitere Variante hinzu – die Übersetzung. Der Lyriker, Literaturveranstalter und Verleger der „parasitenpresse“ stellte Gedichte der Slowenin Ana Pepelnik vor. Unter dem Titel „nicht fisch“ bietet er in seinem Verlag eine Auswahl aus den Bänden „Tres“ und „Tehno“ an – das sind zwei von insgesamt sieben Titeln, die die Lyrikerin aus Ljubljana mittlerweile veröffentlicht hat. „nicht fisch“ ist anlässlich der Frankfurter Buchmesse 2023 erschienen, als Slowenien Gastland war. Das Motto damals: „Waben der Worte“.
Adrian Kasnitz hat an der Übersetzung der Gedichte mitgewirkt. Zusammen mit Thomas Podhostnik bildete er das eine Team und Amalija Macek und Matthias Göritz das andere. Freimütig räumt er ein, dass er sich nicht als Übersetzer verstehe; aber wenn es nötig sei, weil niemand anderes sich ans Werk mache, dann übersetze er halt. Auch bekennt er, des Slowenischen nicht mächtig zu sein. Doch da habe der Kollege an seiner Seite helfen können. Während sie sich den Versen von Ana Pepelnik recht frei genähert hätten, sei das andere Team näher an der Vorlage geblieben.

Jede Straße hat ihren Dialekt
Klar – Lyrik in eine andere Sprache zu übertragen, ist eine Kunst für sich. Mutmaßlich sogar eine Unmöglichkeit. Es ist ja schon schwer genug, ein Gedicht in der Originalsprache mit all seinen klanglichen, rhythmischen, inhaltlichen Dimensionen zu erfassen. Adrian Kasnitz betont, dass bei einer Übersetzung die Zahl der denkbaren Versionen schier unendlich sei. Erst recht dann, möchte man meinen, wenn der Bedeutungsreichtum des Slowenischen tatsächlich so riesig ist wie dargestellt: Praktisch jede Straße, so eine Redewendung, habe einen eigenen Dialekt. Ein weites Feld für jede Übersetzung. Eine Odyssee durch die – wie hieß das nochmal? – Waben der Worte.
Ana Pepelnik schreibt Gedichte, in denen die Apokalypse und die Klimakrise in die scheinbar heile Welt einbrechen. In denen das Wasser als Lebensraum und als Tränenflüssigkeit zusammenfließt. In denen ungute Träume vertrieben werden. Und in denen der Trauer um einen verstorbenen Freund nur mit Techno-Musik begegnet werden kann. Stimmt – Musikerin ist die Lyrikerin Ana Pepelnik im Übrigen auch. Und Übersetzerin. Nicht zuletzt ist sie des Deutschen mächtig. Gegen die Übersetzungen ihrer Werke in dem Band „nicht fisch“, so sagt es Adrian Kasnitz, habe sie keine Einwände gehabt. Auch sei er schon gemeinsam mit der Kollegin und dem Buch aufgetreten: „Das passt.“
„Tut uns megaleid“
Bei diesem Auftritt auf dem Neumarkt war tatsächlich einiges zu erfahren über die Arbeit des Übersetzens. Dass die Lesung mit neun Minuten Verzögerung begann, weil die Mikrofonanlage ausgefallen war, nahm Adrian Kasnitz mit der Gelassenheit eines Literaturprofis zur Kenntnis, dem die möglichen Tücken des öffentlichen Auftritts bekannt sind. Derweil richtete das „Nimm Platz“-Team eine neue Lautsprecheranlage ein. Sie tat es mit Charme – „tut uns megaleid“ – und vor allem mit Erfolg.
Ja, die finale Woche von „Nimm Platz“ ist eingeläutet. Im verbleibenden Programm sind unter anderem noch vier Lesungen und ein Fest zu erleben. An diesem Montag liest Lina Thiede Kurzgeschichten aus „Oma-Texte“, am Dienstag folgt Gerrit Wustmann mit seiner Story-Sammlung „Nichts daran ist witzig“, am Mittwoch widmet sich Liane Dirks der Domplatte, so wie sie es für den Band „Köln literarisch“ getan hat, und schließlich nutzt Tobias Schulenburg am Donnerstag die Bühne, um seine „Neue Sachlichkeit“ vorzustellen. Am Freitag steht dann noch die Abschlussparty der diesjährigen „Nimm Platz“-Saison an – von 17.30 Uhr bis 22 Uhr. Dann gibt es Grund zum Feiern.
Martin Oehlen
Auf diesem Blog
haben wir schon vielfach über die Lesungen im Rahmen von „Nimm Platz“ berichtet. Insgesamt waren wir beim Auftritt von 20 Autorinnen und Autoren dabei. Das ist die Übersicht:
Vorbericht (HIER), Eröffnung und Lesung Ulrike Anna Bleier (HIER), Lesungen von Julius Metzger, Claus Daniel Herrmann, André Patten, Jan Schillmöller und Sehnaz Dost (HIER), Lesungen von Maren Gottschalk, Georg Smirnov, Anke Glasmacher und Thea Mantwill (HIER); Lesungen von Thomas Empl und Wolfgang Schiffer (HIER); Lesungen von Johanna Dombois und Angela Steidele (HIER); die Lesung von Jennifer de Negri (HIER); die Lesung von Joachim Geil (HIER); die Lesung von Nasima Sophia Razizadeh (HIER); die Lesung von Christoph Danne (HIER); die Lesung von Jürgen Nendza (HIER).
Die Bilanz, die Autorinnen und Autoren bei der Premiere von „Nimm Platz“ im Jahr 2023 gezogen haben, gibt es HIER.