Rembrandt zu Gast in Frankfurt und Leipzig: Zwei Kataloge zum „Maler des Lichts“ aus einer gar nicht so goldenen Zeit

Rembrandts Radierung eines Bettlers, der auf einem Erdhügel sitzt, stammt aus dem Jahre 1630. Foto: Städel Museum, Frankfurt am Main

Rembrandt (1606-1669) geht immer! Da bedarf es keines Jahrestages, um eine Ausstellung ins Programm zu nehmen, die dem Großmeister gewidmet ist. Der Publikumszuspruch ist sowieso sicher, wenn irgendwo eine Auswahl seiner 250 Gemälde und 1000 Zeichnungen und Radierungen zu sehen ist. So präsentieren aktuell gleich zwei deutsche Museen seine Kunst und die seines Umfelds – das Städel in Frankfurt und das Museum der bildenden Künste in Leipzig. Da schauen wir uns doch mal die Kataloge an, die beide im Hirmer Verlag erscheinen.

Rembrandts „Mann im orientalischen Kostüm“ von 1632 Foto: The Metropolitan
Museum of Art, New York / MdbK Leipzig

Abschied vom „Gouden Eeuw“

Rembrandt Harmenszoon van Rijn gilt als der Maler des „Goldenen Zeitalters“ der Niederlande, des „Gouden Eeuw“. Doch der Kurs dieses Goldes ist derzeit im freien Fall. Nicht wegen Rembrandt, sondern wegen der Zeit. An beiden Ausstellungsorten wird darauf verwiesen, dass Glanz und Reichtum nur einen Teilaspekt der Epoche ausmachen. Ja, das Amsterdam Museum – der Kooperationspartner des Städel Museums – hat 2019 offiziell erklärt, dass es den Begriff „Goldenes Zeitalter“ in diesem Zusammenhang nicht mehr verwenden werde. Zu einseitig würden damit die positiven Aspekte betont und die „dunklen Seiten“ ignoriert.

Daher platziert das Städel ein Fragezeichen in den Untertitel seiner von Jochen Sander kuratierten Ausstellung: „Goldene Zeiten?“ Das 17. Jahrhundert sei keineswegs für alle „golden“ gewesen, schreibt Tom van der Molen im Katalog. „Weder für die Opfer des gerade für die Amsterdamer Kaufleute höchst lukrativen transatlantischen Sklavenhandels und ihres Kolonialreichs in Südamerika und Indonesien noch für die unter prekären Umständen lebenden Angehörigen der städtischen Unterschichten.“

Bartholomeus van der Helst (ca. 1613-1670) malte dieses Gruppenporträt der Vorsteher des Kloverniersdoelen, also des Hakenbüchsen-Schützenhauses (1655). Nicht nur die Herren, die sich ein paar Austern gönnen, sind namentlich bekannt. Auch glaubt die Forschung, die Wirtsleute am rechten Rand als die Geschwister Nachtglas identifiziert zu haben. Foto: Amsterdam Museum / Städel

Die Gruppe und das Individuum

Am Main werden nun vor allem die Gruppenbilder in den Vordergrund gerückt. Es geht um „einen der glanzvollsten Höhepunkte der niederländischen Malerei“ und gleichzeitig um die soziale Wirklichkeit in der Boomtown Amsterdam – und zwar „jenseits der Eliten“. Da lohnt es sich dann auch, einen Blick auf die Personen am Bildrand zu werfen.  

Auch Leipzig schaut mit neu geschärftem Blick auf das 17. Jahrhundert in den Niederlanden. Rembrandt habe Bilder geliefert, schreiben Direktor Stefan Weppelmann und Kurator Jan Nicolaisen, „die von einer weltgewandten, multikulturellen und facettenreichen Gesellschaft mit religiöser Toleranz erzählen.“ Doch zugleich scheinen in diesen Werken „enorme gesellschaftliche Verwerfungen“ auf. Es seien Verwerfungen zwischen Armen und Reichen. Und wo der Reichtum anzutreffen sei, hänge er „sehr wesentlich mit einem der dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte, dem Handel mit versklavten Menschen“ zusammen. 

Rembrandts Blick auf eine Frau mit einem Kind, das sich vor einem Hund fürchtet (um
1635/36). Foto: Fondation Custodia, Collection Frits Lugt, Paris
/ MdbK Leipzig

Neue Farben und Formen

War also das 17. Jahrhundert alles andere als golden, so war und ist es Rembrandts Kunst gewiss. Beide Ausstellungen feiern den Meister. Schaut Frankfurt vor allem auf die Gruppenporträts, so konzentriert sich Leipzig auf den „Rembrandt-Stil“ und seinen Einfluss auf andere Künstler. Dieser Stil wird dadurch bestimmt, dass Rembrandt statt der vertrauten barocken Farbpracht nun „düstere und gebrochene“ Farben und statt ideal proportionierter Gestalten sehr irdisch-alltägliche Personen vorzog.

Rembrandt ist der „Maler des Lichts“, lesen wir im Leipziger Katalog. Dies gelte gerade wegen des Dunkels in seinem Werk. Wer mehr erfahren will über Stil und Zeit, Innovation und Fortwirken, findet in beiden Katalogen hinreichend Auskunft und vor allem einen üppigen Bilderreigen.   

Martin Oehlen

Ausstellungen

„Rembrandts Amsterdam – Goldene Zeiten?“ in Frankfurt/M. im Städel Museum bis 23. März.

„Impuls Rembrandt – Lehrer, Stratege, Bestseller“ im Museum der bildenden Künste Leipzig bis 26. Januar 2025.

Und weiter geht es

in Heidelberg: Das Kurpfälzische Museum zeigt „Auf Rembrandts Spuren“ vom 23. Februar 2025 bis zum 29. Juni 2025. Dabei greift die Ausstellung nicht zuletzt auf Werke aus der Hoogsteder Museum Foundation zurück. Im Zentrum steht am Neckar: Rembrandts Einfluss auf seine Zeitgenossen, Schüler und Nachfolger.

Jochen Sander (Hg.): „Rembrandts Amsterdam – Goldene Zeiten?“, Katalog zur Ausstellung im Städel Museum in Frankfurt/M., Hirmer, 288 Seiten, 49,90 Euro.

Jan Nicolaisen und Stefan Weppelmann: „Impuls Rembrandt – Lehrer, Stratege, Bestseller“, Katalog zur Ausstellung im Museum der bildenden Künste in Leipzig, 290 Seiten, Hirmer, 45 Euro.

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