„Wir können so nicht weitermachen“:  Die Ausstellung „Hello Nature“ im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg plädiert für die Rechte der Natur

Roelant Saverys Gemälde „Paradies“ (1625) ist das Zentralbild der Ausstellung. Foto: GNM, Georg Janßen

Der Weltuntergang war schon immer ein gutes Thema. Hippolyt von Rom sagte ihn in der Antike für das Jahr 500 voraus. Die Kirchenväter des frühen Mittelalters legten sich auf das Jahr 1000 fest. Der französische Theologe Pierre d’Ailly entschied sich um 1500 für das dann tatsächlich sehr besondere Jahr 1789, während der Naturwissenschaftler Isaac Newton im 18. Jahrhundert das Jahr 2060 voraussagte. Aktuell immerhin gehen die Astronomen davon aus, dass die Welt in sieben Millionen Jahren untergehen wird. Allerdings ist dies kein Grund zum Aufatmen. Denn wie lange es der Mensch noch auf diesem Planeten aushalten wird, ist eine ganz andere Frage.

Haltung und Handeln ändern

Im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg wird nun „erstmals“, so heißt es, „umfassend und interdisziplinär das komplexe Verhältnis zwischen dem Menschen und seiner Umwelt“ dargelegt. Noch nie, so sagte es Generaldirektor Daniel Hess bei der Präsentation, sei ein solch großer kulturhistorischer Bogen geschlagen worden: Das Verhältnis zwischen Mensch und Natur wird von der Sesshaftwerdung in der Steinzeit vor rund 12.000 Jahren bis in die Gegenwart verfolgt.

„Wir können so nicht weitermachen“, sagt Daniel Hess. Gleichwohl bekennt er, keine finale Lösung der Umweltproblematik anbieten zu können. Immerhin jedoch will die Ausstellung „Hello Nature“ dazu beizutragen, „unsere innere Haltung und unser Handeln zu verändern, um uns und der Biosphäre eine Zukunft zu geben.“ Denn der Umweltschutz hänge entscheidend vom Verständnis der Natur ab – von dem Bild, das wir uns von ihr machen.

„Letzte Generation“ des 16. Jahrhunderts

Nicht mit Statistiken, sondern mit aussagestarken Exponaten geht es zur Sache.  Zu den Highlights gehört Hans Baldung Griens im Jahre 1516 vollendete Darstellung der Sintflut, auf deren Wellen eine kastenförmige Arche dümpelt. Das Werk wird hier präsentiert als Sinnbild einer „Last Generation“ im frühen 16. Jahrhundert.

Und das Paradiesgemäldes von Roelant Savery aus dem Jahr 1625, das das Germanische Nationalmuseum erwerben konnte, wird gar als „einer der maßgeblichen Impulse für die Ausstellung“ angegeben. Es ist ein Sehnsuchtsbild, entstanden zu den unruhigen Zeiten des Dreißigjährigen Krieges, auf dem ein allgemeiner Frieden herrscht – unter den Tieren sowie zwischen Mensch und Tier. Doch schon greift Eva nach dem Apfel und verdunkelt sich der Himmel. Die Vertreibung steht unmittelbar bevor: Fünf vor Zwölf im Paradies.

Die Fischtafel aus Zürich

Die Sonderausstellung ist in drei Sektionen gegliedert. Zunächst geht es um die „Beherrschung“ der Natur durch den Menschen. Der Bibelspruch „Macht Euch die Erde untertan“ sei gründlich missverstanden worden, heißt es. Dies sei keine Einladung zur Ausbeutung auf allen Ebenen gewesen, von der Jagd über den Bergbau bis zu „exotischen“ Materialien wie Straußenfederfächer oder Affenfell-Handtasche. Vielmehr habe es sich um einen Appell gehandelt, verantwortlich und fürsorglich zu handeln.

Dass die Nutzung der Natur nur funktioniert, wenn die Ressourcen geschont werden, ist im Übrigen keine Erkenntnis der Moderne. Das bezeugt die attraktive Fischtafel aus dem Stadthaus in Zürich von 1709. Auf ihr sind 30 Fischarten aus Limmat und Zürichsee mir ihren jeweiligen Schonzeiten aufgeführt.

Johann Melchior Füsslis Fischtafel von 1709 gehörte zur Zürcher Marktordnung. Foto: Kunstsammlung Kanton Zürich

Ecuador ändert die Verfassung

Sodann tritt unter der Überschrift „Bedrohung“ die Natur als Akteurin hervor. Sie wartet auf mit Phänomenen, die der Mensch als Katastrophen bezeichnet, wenngleich es sich nur um natürliche Reaktionen handelt: Überschwemmungen, Lawinen, Dürren, Erdbeben. Sie sind heute so vertraut und zerstörerisch wie ehedem.

Der Rundgang klingt aus mit aktuellen Strömungen zur „Bewahrung“ der Umwelt. Als ein neues „wirkmächtiges Narrativ“ gilt den Ausstellungsmachern, die Rechte der Natur zu betonen. Zwar habe schon Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) gefordert, „die Rechte der Natur zu sichern.“ Doch diese wurden erst 2008 von Ecuador als erstem Land in die Verfassung aufgenommen. In Artikel 71f. geht es um die Sicherung der Existenz wie um die Wiederherstellung bei Zerstörung. Einige Länder sind diesem Beispiel mittlerweile gefolgt. Vielleicht ist dies tatsächlich ein „Einschnitt in der Geschichte der Menschheit“ gewesen, wie man in Südamerika meint. Allerdings wurde in Ecuador gerade wieder ein Stück Urwald gerodet, um dort ein Gefängnis zu errichten. Die Einheimischen beklagen nicht nur den Verlust des Waldes. Auch fürchten sie, dass Jäger und Tierhändler ein neues Einfalltor finden.

Die Installation „Letters from Nature“ der Niederländer Jeroen van der Most und Peter van der Putten Foto: Bücheratlas / M.Oe.

„Letters from Nature“

Wo die Natur zum Subjekt wird, hat sie eine freundliche Anrede verdient: „Hello Nature“. Generaldirektor Daniel Hess sieht die Menschheit in der Pflicht: „Worin besteht unsere Gegengabe an eine Biosphäre, die uns belebt und uns mit den Sonnenaufgängen und Sonnenuntergängen oder dem Gezwitscher der Vögel täglich aufs Neue beschenkt?“

Die Wunschliste der Natur gibt es dann ganz zum Schluss. Eine wandfüllende Installation der Niederländer Jeroen van der Most und Peter van der Putten versammelt einschlägige Briefbotschaften von Bäumen, Bächen und Bergen, von Wüsten und Meeren. Diese „Letters from Nature“ wurden generiert mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz – wohl weil der Mensch allein es nicht hinkriegt.

Martin Oehlen

Die Ausstellung

„Hello Nature“ im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg (Kartäusergasse 1, wenige Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt) läuft bis zum 2. März 2025. Geöffnet: Di-So 10-18.00 Uhr, Mi bis 20.30 Uhr.

Der Katalog

aus dem hauseigenen Verlag kostet in der Ausstellung 37 Euro und im Buchhandel 49 Euro.   

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