Habe die Ehre in Wien (1): Unsere Empfehlungen für Museen, Kaffeehäuser und Literaturstätten – garantiert subjektiv

Wien kommt, wenn es in Umfragen um die Lebensqualität in den Metropolen weltweit geht, sehr gut weg. Wer vor Ort ist, weiß es sowieso. Und wer einen Wien-Aufenthalt plant, kann womöglich einige Anregungen gebrauchen. In unserer neuen Serie gibt es dreimal drei Schwerpunkte. Erstens: Museen, Kaffeehäuser und Literatustätten. Zweitens: Hausbesuche, Beisl, Kirchen. Drittens: Ausflüge, Restaurants und Lektüren. Alles selbst getestet und garantiert subjektiv.

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Museen

Eingang zum Wien Museum am Karlsplatz gegenüber der Karlskirche Foto: Bücheratlas/M.Oe.

M. Oe.: Wien Museum zur Stadtgeschichte

Eine starke Basis für jeden Wien-Aufenthalt! Seit der Wiedereröffnung im Jahr 2023 – nach Sanierung und vor allem nach der baulichen Erweiterung – ist das Haus eine herrliche Einladung in die Stadthistorie. Das fängt schon mit dem sanften Übergang vom Karlplatz ins lichte Foyer an, und das setzt sich fort in den Räumen von der Antike bis zur Gegenwart. Die Geschichte Wiens, die auch eine Geschichte Österreichs ist, wird anschaulich, pointiert, abwechslungsreich und eher luftig als überladen präsentiert. Ein großes Plus ist die frei zugängliche Terrasse des Cafés (das mit hochpreisigem Angebot aufwartet), von wo aus man einen großartigen Blick auf die Karlskirche hat. Und der Clou von alledem: Der Eintritt ins Wien Museum ist frei. Das erleichtert die Entscheidung, noch einmal wiederzukommen. Wir haben es ausprobiert: Man sieht mehr, wenn man zweimal hinschaut. Für die Sonderausstellungen gilt der freie Eintritt allerdings nicht: Ganz frisch im Angebot ist die Schau „Secessionen – Klimt, Stuck, Liebermann“, die bis Ende Oktober den Blick auf die Kunstmoderne in Wien, München und Berlin wirft.

Der Boden im Kunst Haus Wien ist so uneben wie einst in unplanierten Zeiten. Foto: Bücheratlas/M. Oe.

P. P. :  Kunst Haus Wien zu Friedensreich Hundertwasser

Der Besuch im Kunst Haus Wien beginnt mit einem Stolperer. Dem noch einige weitere folgen werden. In diesem Museum, der Kunst des fantastischen Friedensreich Hundertwasser gewidmet, ist der Boden nicht eben, sind die Ecken nicht eckig. Auf zwei Etagen wird in dem Haus an der Unteren Weißgerberstraße 13 Kunst zum Staunen geboten. Friedensreich Hundertwasser höchstselbst gründete das Museum im Jahr 1991. Heute enthält es die weltweit größte Sammlung seiner Werke: Gemälde, Grafiken, Tapisserien, von ihm gestaltete Bücher, Briefmarken, Fahnen und Architekturmodelle. Fast meint man, der Meister selbst sei noch anwesend, so sehr ist die Atmosphäre gesättigt von seiner Kreativität und seiner rastlosen Schaffenskraft. Hier einige Highlights zu nennen – quasi als Tipp für Eilige – fällt schwer. Nahezu jedes Bild, jedes politische Statement, von denen es einige gibt, sind ein Innehalten, wenn nicht eine längere Betrachtung wert. So schwelgt man in den knalligen Farben des Friedensreich Hundertwasser, bewundert seine mäandernden Linien, seine Reminiszenzen an Künstler wie Ernst Fuchs und Gustav Klimt. Wem anschließend der Kopf raucht, die Augen tränen, dem sei ein Besuch im üppig begrünten Café im Erdgeschoss empfohlen. Doch Vorsicht: unebener Boden.  

Schon das Treppenhaus des Kunsthistorischen Museums ist eine Erstaunlichkeit. Foto: Bücheratlas/M. Oe.

Weitere Museen, die wir empfehlen können:

das Kunsthistorische Museum ist selbstredend das Nonplusultra (und bietet neben allem Überfluss aktuell auch noch die Ausstellung „Holbein, Burgkmair, Dürer“. Sie macht mit der „Renaissance im Norden“ vertraut, die im Augsburg des frühen 16. Jahrhunderts verortet wird);  

die Albertina mit Highlights vom Impressionismus bis zur Gegenwart (und aktuell mit Ausstellungen zu Roy Lichtensteins Ben-Day-Punkten, Eva Beresins schrecklich-lustigen Gestalten, Franz Grabmayrs Farbmassen und demnächst mit Ausstellungen zu Robert Longo, Kubin, Chagall);

das Obere Belvedere mit einer erheblichen Gustav-Klimt-Ladung (und dem „Kuss“ von 1908/9 als Werbe-Highlight);

das Sigmund-Freud-Museum in der Berggasse, dem ehemaligen Wohn- und Praxissitz des Psychoanalytikers, ist frisch saniert, atmosphärisch intensiv und wartet mit vielen Originalexponaten auf wie Brille, Visitenkarte und Taschenlupe (aber das Sofa steht in London);

das Jüdische Museum im Palais Eskeles in der Dorotheergasse versteht sich – mit Hinweis auf eine Vorgänger-Institution aus dem Jahr 1895 – als ältestes jüdisches Museum weltweit (zu dem eine Dependance am Judenplatz gehört, wo die Fundamente der mittelalterlichen Synagoge und das Schaudepot zu sehen sind);

das Museum für Angewandte Kunst mit Porzellanzimmer, Werken der „Wiener Werkstätte“ und einer Stuhlparade von Thonet (die Sonderausstellung zur Protestarchitektur, gemeinsam mit dem Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt erstellt, ist noch bis Ende August zu sehen);

das Leopold Museum im Museumsquartier mit der weltweit größten Egon-Schiele-Sammlung;

das Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig (Mumok) war bei unseren Wiener Festwochen wegen Sanierung geschlossen, wird aber am Abend des 6. Juni wiedereröffnet;

das Naturhistorische Museum ist sympathisch verstaubt (und lockt mit der fast 30.000 Jahre alten „Venus von Willendorf“ als Stargast) und das

Römermuseum am Hohen Markt (schmal geschnitten, aber tief hinab in die 1948 entdeckten Ruinen des römischen Legionslagers Vindobona führend).

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Kaffeehäuser

Blick von der Empore aufs Treiben im Jelinek Foto: Bücheratlas/M.Oe.

P. P.:  Café Jelinek in der Otto-Bauer-Gasse 

Die Autorin steht vor einer schweren Aufgabe. Welches Kaffeehaus soll sie empfehlen in einer Stadt, die mit den wohl schönsten Cafés der Welt aufwartet? Warum sie sich für das Café Jelinek in der Otto-Bauer-Gasse 5 entscheidet? Weil es mit seinen Marmortischen, seinen Oma-Sesseln und dem abgeschrammten Fischgrätparkett so wunderbar wohnzimmerplüschig und dennoch nicht angestaubt wirkt. Weil die Auswahl an tagesaktuellen Zeitungen beträchtlich ist. Und weil auf der Speisekarte für Menschen jenseits der Wiener Stadtgrenze erklärt wird, was ein kleiner Brauner und ein Häferlkaffee ist. (Es handelt sich dabei um einen Mokka oder Espresso mit Schlagsahne und einen kleinen Kaffee mit heißer Milch.) Vergleichsweise teuer sind beide Kaffeevarianten, aber das gilt für alle namhaften Wiener Kaffeehäuser. Im Café Jelinek zumindest stammt der Kaffee aus fairem Anbau und wird „wöchentlich frisch in einem ehemaligen Saustall im Weinviertel“ geröstet. Was ebenfalls für die meisten Cafés und erst recht im 1910 eröffneten Jelinek gilt: Man wird in Ruhe gelassen, selbst wenn man zwei Stunden vor einem kleinen Braunen sitzt. Keiner fragt, ob es denn „bitt‘schön“ noch etwas sein darf, und keiner stört sich daran, wenn man sich die nächste Tageszeitung schnappt, um noch ein Weilchen zu bleiben. 

Sitzgelegenheit im Café Sperl – wenn man eintritt: links herum, dann die dritte Koje an der Wand. Foto: Bücheratlas/M. Oe.

M. Oe.: Café Sperl an der Gumpendorfer Straße

Eine rundum entspannte und entspannende Lokalität im 6. Gemeindebezirk Mariahilf. Hier muss man nicht in einer Touristenschlange anstehen wie im Café Central oder im Café Sacher in der Inneren Stadt. Freundlicher Service, gutes Angebot. Den Kaffee gibt es in weit mehr als einem Dutzend Variationen – darunter der Mocca (auf Wunsch auch „kurz“) und die Melange, der Kaffee verkehrt oder der Überstürzte Neumann. Billard kann an drei Tischen gespielt werden, von denen allerdings einer als Auslage für die zahlreichen Zeitungstitel genutzt wird. Attraktiv ist das Café Sperl auch für Autorinnen und Autoren – von Elfriede Jellinek über Friederike Mayröcker (sie saß einst links in der dritten Koje an der Wand) bis Michael Köhlmeier und Robert Menasse, die sogar in der Speisekarte des Hauses erwähnt werden.

Der Kaffee – hier im Café Raimund – schmeckt einfach besser mit Apfelstrudel und Tageszeitung. Foto: Bücheratlas/M. Oe.

Weitere Kaffeehäuser, die wir empfehlen können:

Café Ritter an der Mariahilfer Straße 73 (amüsante Bedienung, die den suppigen Spinat als „Fingerfood“ anbietet);

Café Raimund am Volkstheater (sympathisch in jeder Hinsicht);

Café Savoy am Naschmarkt (entschieden plüschig);

Café Prückel am Stubenring (Back to the Fifties);

Café Schwarzenberg am Kärntner Ring (unanstrengend nobel);

Café Eiles in der Josefstädter Straße 2 (mit den am stärksten durchgesessenen Fenstersitzbänken);

Café Bräunerhof in der Stallburggasse 2 (mit großer Fensterfront, hinter der einst Thomas Bernhard anzutreffen war) und das

Café Rüdigerhof in der Hamburgerstraße 20 (schönes Jugendstilgebäude, schattiger Garten).

In der Innenstadt, innerhalb des Rings, ist vieles überlaufen – vergleichsweise ruhig sind dort (bei unserem Besuch) das Café Frauenhuber (recht teuer) und das Café Hawelka (recht düster).

Stadtauswärts angenehm heimelig und mit einem schmackhaften „Scheiterhaufen mit Vanillesauce“: Café Dommayer (mit Garten) in Hietzing.

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Literaturorte

Sammelsurium mit dem Morgenmantel von Heimito von Doderer, dem Selbstmord-Revolver des Ferdinand von Saar sowie dem Transistorradio und Metronom von Ernst Jandl. Auch in der Vitrine: Ein Balkonstück aus dem Sanatorium Hoffmann, dicht hinter der heutigen Wiener Stadtgrenze gelegen, wo Franz Kafka am 3. Juni 1924, vor 100 Jahren, an Kehlkopftuberkulose gestorben ist. Bild Foto: Bücheratlas/M. Oe.

M. Oe.: Literaturmuseum

Wer sich für Literatur interessiert, befindet sich in der Johannesgasse 6 am richtigen Ort. Wo einst der Dramatiker Franz Grillparzer als Direktor des Hofkammerarchivs amtierte, wird die österreichische Literatur auf zwei Etagen ausgestellt – der „ganze Hallraum“ soll es sein, mit all den großen Alten des ausgehenden 18. Jahrhunderts und all den großen Nicht-ganz-so-Alten der jüngeren Vergangenheit. Mit Hilde Spiels Tagebuch, Heimito von Doderers Morgenmantel und Thomas Bernhards Arbeitshose (nebst Kettensägen-Spur). In dem denkmalgeschützten Biedermeier-Gebäude setzt man auf ein unterhaltsames Arrangement der Objekte. Und für Sonderausstellungen ist auch noch Platz. Letztes Jahr ging es um Ingeborg Bachmann, jetzt um die „Jahrhundertdichterin“ Friederike Mayröcker (1924 – 2021): „ich denke in langsamen Blitzen“. Entschieden empfehlen können wir den Katalog zur Ausstellung, der im Zsolnay Verlag vorliegt und vielfältige Einblicke liefert in das „Zetteluniversum“ der Autorin. In zahlreichen Beiträgen wird verdeutlich, wie sehr bei der Wienerin Leben und Schreiben miteinander verwoben waren. Die Ausstellung selbst läuft noch bis 16. Februar 2025.

Kaiser Karl VI. steht im Mittelpunkt des Prunksaals – er hatte die Hofbibliothek in Auftrag gegeben. Foto: Bücheratlas/M. Oe.

P.P.: Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek

Was für eine Pracht! Bücherregale aus dunklem Nussholz, ein spiegelnder Steinfußboden, Marmorstandbilder und ein Kuppelgemälde, das jedem Schloss zur Zierde gereichen würde. Kein Wunder, dass der barocke Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek zu den schönsten historischen Bibliotheksräumen der Welt zählt. Rund 200.000 Bücher aus den Jahren 1501 bis 1858 sind hier untergebracht. Darunter befindet sich rund 15.000 Bände aus der Privatbibliothek des Prinzen Eugen. In Auftrag gegeben wurde der Saal als Teil der Hofbibliothek von Kaiser Karl VI. (1685 – 1740), die Planung übernahm Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656 – 1723), seinerzeit der wohl angesagteste Architekt Österreichs. Nach dessen Tod führte sein Sohn Joseph Emanuel das Projekt zu Ende. Ein zusätzliches Highlight: die aktuelle Ausstellung „Anton Bruckner – Der fromme Revolutionär“, die noch bis zum 26. Januar 2025 im Bibliothekssaal zu sehen ist. In diesem Jahr jährt sich der Geburtstag des Komponisten zum 200. Mal. Grund genug für die Nationalbibliothek, in ihrer umfangreichen Bruckner-Sammlung zu stöbern und in zahlreichen Vitrinen einige ihrer schönsten Stücke zu präsentieren. So lässt sich der Lebensweg des streng-katholisch sozialisierten Musikers von der Geburt bis zu seinem Tod verfolgen. Man erfährt Aufschlussreiches über sein Sozialverhalten und sein (nicht vorhandenes) Liebesleben. Dazu gibt es, über Kopfhörer zu genießen, die ein oder andere Kostprobe seiner Kunst.  

Die Strudelhofstiege im 9. Gemeindebezirk (Alsergrund) wurde 1910 eingeweiht. Foto: Bücheratlas/M. Oe.

 Weitere Literaturorte, an denen man Altmeistern der österreichischen Literatur nachspüren kann:

Die Strudlhofstiege im 9. Gemeindebezirk wurde von Heimito von Doderer zur Basis seines gleichnamigen Romans aus dem Jahre 1951 gewählt. An der Mauer der Treppenanlage stehen des Autors Verse „Auf die Strudlhofstiege zu Wien“: „Wenn die Blätter auf den Stufen liegen / herbstlich atmet aus den alten Stiegen / was vor Zeiten über sie gegangen. / Mond darin sich zweie dicht umfangen / hielten, leichte Schuh und schwere Tritte, / die bemooste Vase in der Mitte / überdauert Jahre zwischen Kriegen. // Viel ist hingesunken uns zur Trauer / und das Schöne zeigt die kleinste Dauer.“

Franz Grillparzer (1791 – 1872) scheint in der Stadt omnipräsent zu sein – im Burggarten (Denkmal), am Bauernmarkt (der „Grillparzerhof“ als Geburtshaus), im Palais Wilczek in der Herrengasse (eine seiner Wohnungen und heute unter anderem Sitz der Österreichischen Gesellschaft für Literatur), im Wien-Museum („Grillparzer-Zimmer“), nicht zuletzt – siehe oben – im Literaturmuseum Grillparzerhaus (worin sich das originale Arbeitszimmer des ehemaligen Archivdirektors befindet).  

Johan Nestroy (1801 – 1862) wurde an einem 7. Dezember 1801 in der Bräunerstraße 3 geboren, wo die Internationale Nestroy-Gesellschaft ein paar Schaukästen eingerichtet hat.

Ferdinand Raimund (1790 – 1836) ergeht es ganz ähnlich in der Raimund-Passage, die von seinem Geburtshaus an der Mariahilfer Straße 45 hinabführt Richtung Naschmarkt (über Höfe und Treppen, vorbei an kleinen Lokalen und alternativ angehauchten Geschäften und einigen Schaukästen).

Auf diesem Blog

geht es mit unserer dreiteiligen Wien-Tipps-Reihe in Kürze weiter.

Das Begleitbuch zur Sonderausstellung im Literaturmuseum

„Friederike Mayröcker Jahrhundertdichterin – ‚ich denke in langsamen Blitzen‘“, hrsg. von Bernhard Fetz, Katharina Manojlovic und Susanne Rettenwander, Buchreihe des Literaturarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek, Paul Zsolnay Verlag,352 Seiten, 34 Euro.

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