
Um „Irritationen im Messebetrieb zu vermeiden“, gelten auf der Frankfurter Buchmesse besondere Vorkehrungen rund um Cosplay-Waffen. Für die Einlasskontrollen und damit auch für die „Waffenkontrollen“ der Cosplayer und Cosplayerinnen ist – so heißt es offiziell – der Ordnungsdienst zuständig. Seinen Anweisungen sei Folge zu leisten. Allerdings gebe es – „im Gegensatz zu vielen anderen Großveranstaltungen“ – am Main kein generelles Verbot von Cosplay-Waffen.
„Eine auffällige Kennzeichnung“
„Verboten jedoch sind alle Anschein-Waffen. Damit werden Gegenstände bezeichnet, die echten Waffen, insbesondere funktionsfähigen Schusswaffen, täuschend ähnlichsehen, z.B. Softair-Waffen, Attrappen aller Art etc. Diese Waffen müssen grundsätzlich an den Eingängen abgegeben werden.“ Alle sonstigen Cosplay-Waffen erhalten an den Eingängen vom Personal „eine auffällige Kennzeichnung, die für Messebesucher und Sicherheitskräfte auch von weitem erkennbar sein muss“. Diese Kennzeichnung dürfe auf dem Messegelände nicht entfernt werden.
Schon klar: Die Welt ist aus den Fugen. So sagte es Messe-Direktor Juergen Boos ja gleich zu Beginn der Woche. Fragt sich nur, warum es überhaupt von Reiz ist, in diesen Tagen, Wochen, Monaten mit Spielzeug-Waffen herumzulaufen. Könnten nicht zumindest die Cosplayerinnen und Cosplayer radikal abrüsten? Immerhin – das Finale der Deutschen Cosplaymeisterschaft (DCM), das eine Art Kostümwettbewerb ist, findet am Sonntag im „Saal Harmonie“ statt.
Der Umfang des Bombentrichters
Der Krieg im Nahen Osten zieht eine tiefe Spur durch die Buchmesse. Auch der Krieg in der Ukraine tut es. Doch der frische Weltkrisenherd dominiert. In der Halle 5, in der sich israelische Verlage und Institutionen präsentieren wollten, verweisen Markierungen auf dem Boden auf zerstobene Pläne.
Nur ein verwaistes Rechteck tut sich auf. Das „Israeli Institute for Hebrew Literature“ präsentiert auf der Rückfront des Standes einer Aussteller-Koje ein Gedicht von Yehuda Amichai (1924-2000). Die ersten Zeilen, in der englischen Übersetzung von Amichai und Ted Hughes, lauten: „The diameter of the bomb was thirty centimeters / and the diameter of its effective / range – about seven meters. / And in it four dead and eleven wounded. / And around them in a greater circle / of pain and time are scattered / two hospitals and one cemetery (…)“ Das liest sich, als wäre es gerade erst geschrieben worden.

Gespräch mit Slavoj Zizek fällt aus
Auf der Messe wirkt Slavoj Zizeks Rede zur Eröffnung nach. Der Slowene ist in dieser Woche ein viel gefragter und häufig interviewter Mann. Das Gastland Slowenien würdigt ihn auf einer gläsernen Tafel in seinem Pavillon.
Ein öffentliches Gespräch mit Slavoj Zizek am Stand der „Zeit“ fällt allerdings aus. Der Moderator sei erkrankt, sagt ein Sprecher des Zeitungshauses. Angesichts der Umstände lege man Wert darauf, einen kompetenten Gesprächspartner für den Philosophen und Autor zu präsentieren. Er bitte um Verständnis dafür, dass man auf die Schnelle einen solchen Ersatz nicht gefunden habe. Soll wohl heißen: Ein Gespräch mit Zizek ist eine sensible Angelegenheit. Angesichts der Umstände.

„Wege aus der Unversöhnlichkeit“
Die Eröffnungsrede – über die wir HIER ausführlich berichtet haben – war vor allem deshalb umstritten, weil Slavoj Zizek eine „Kontextualisierung“ des barbarischen Hamas-Überfalls einforderte. Meron Mendel, Leiter der Bildungsstätte Anne Frank und deutsch-israelischer Pädagoge, sagte in der Diskussionsrunde „Israel und Palästina – Wege aus der Unversöhnlichkeit“: „Ich erwarte keine Anerkennung der israelischen Politik, sondern eine Anerkennung dessen, was am 7. Oktober passiert ist. Der Überfall der Hamas steht für sich allein und muss nicht relativiert oder kontextualisiert werden.“ Eine solche Anerkennung des Verbrechens vermisse er in Deutschland vor allem in migrantischen Kreisen und in der „linken Kulturszene“.
Die Journalistin Alena Jabarine, Tochter einer Deutschen und eines palästinensischen Israelis, stellte fest, dass die deutsche Gesellschaft aufs Ganze besehen sehr solidarisch mit Israel sei. Sie beklagte nachdrücklich das große Leid, das aktuell der palästinensischen Zivilbevölkerung zugefügt werde. Auch warnte sie davor, die Palästinenserinnen und Palästinenser mit der Hamas gleichzusetzen. Ein behutsames Gespräch, in dem beide Seiten einander zuhörten, auch in vielen Punkten einander zustimmten – eine Art Hoffnungsschimmer, ein kleiner. Ein Weg aus der Unversöhnlichkeit?
Martin Oehlen
Auf diesem Blog
haben wir über die Eröffnung der 75. Frankfurter Buchmesse HIER berichtet.
Noch mehr Buchmessesplitter
gibt es in Kürze auf diesem Blog
Die Welt ist in Ordnung
wir haben uns
mit der Selbstverherrlichung
entzwei gespalten
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