Das nächste Virus kommt bestimmt: Ewan Morrisons imposanter Pandemie-Roman „Überleben ist alles“

Foto: Bücheratlas / M. Oe.

Der schottische Kunstkritiker, Filmemacher und Buchautor Ewan Morrison hat das erste Jahr der Corona-Pandemie gut genutzt. Er hat, um seinen Kollegen Ian Rankin zu zitieren, „einen großartigen Pandemie-Roman“ geschrieben. „How to survive everything“ war 2021 für mehrere Literaturpreise nominiert. In diesem Jahr ist das dystopische Werk unter dem Titel „Überleben ist alles“ in deutscher Übersetzung erschienen.

Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive der 15-Jährigen Haley Cooper Crowe. Zusammen mit ihrem jüngeren Bruder Ben wächst sie bei der Mutter auf. Den Vater, einen Prepper und Verschwörungstheoretiker, sehen die Geschwister nur an den Wochenenden. Ed Crowe litt während der Corona-Pandemie, die seit einigen Jahren vorbei ist, unter einer schweren Depression und war monatelange in einer psychiatrischen Klinik. In dieser Zeit ist seine Ehe zerbrochen, in seinem Beruf als Journalist konnte er nicht wieder Fuß fassen.

Der Erreger ist schon unterwegs

Seitdem lässt ihn die Angst vor einer unmittelbar bevorstehenden weiteren Pandemie nicht mehr los. Aus einem Labor sei bereits der nächste tödliche Erreger entwichen und habe rund 1,3 Millionen Menschen in 52 Staaten infiziert, behauptet er. Noch vertuschten die Regierungen und die Medien den Vorfall, doch schon bald werde es zu tausenden von Toten, zu Plünderungen, Aufständen, opportunistischer Bandengewalt und Vergewaltigungen kommen, prophezeit er. „In drei Jahren werden sechs Millionen Menschen weggestorben sein.“   

Gemeinsam mit drei Gesinnungsgenossen hat Ed sich auf einer abgelegenen Farm in den schottischen Bergen eingebunkert. Dort will das Quartett das Ende der Pandemie abwarten. Und genau dorthin entführt er Haley und Ben nach einem „Papa“-Wochenende, um sie vor dem neuen Supervirus CHF-2 zu schützen. Die Regeln in dem baufälligen „safe house“ sind streng, Zutritt haben nur einige wenige Auserwählte. Jeder Fremde müsse als potenziell tödliche Gefahr betrachtet werden und sei zu eliminieren, heißt es in einem von Ed verfassten Survival-Handbuch.

Angst vor den „Röchlern“

Haley, rotzig, trotzig und so cool, wie nur eine 15-Jährige sein kann, tut sich zunächst schwer mit den Behauptungen des Vaters. Vermutlich habe er seine Tabletten abgesetzt und sei jetzt komplett durchgeknallt, schreibt sie in ihrem tagebuchähnlichen „Survival-Guide“. Doch allmählich gewöhnt sie sich an ihr neues Leben ohne Handy, Internet und Shopping-Touren. Was, wenn der Vater recht hat? Wenn außerhalb des Stacheldrahtzauns die „Röchler“ darauf warten, auch sie zu infizieren?

Ewan Morrison spiegelt in seinem imposanten Roman die Ängste einer verunsicherten und in sich gespaltenen Gesellschaft, die nicht mehr weiß, was und wem sie glauben soll. Überzeugend beschreibt er die in sich schlüssige Gedankenwelt eines Preppers und schildert den Weg hinein in eine sektenähnliche Gemeinschaft, aus der es kein Entkommen geben wird. In der Figur der Haley Cooper Crowe hat er eine ebenso kratzbürstige wie liebenswerte Protagonistin geschaffen, die klug und witzig das Geschehen im Safe House analysiert.

Petra Pluwatsch

Ewan Morrison: „Überleben ist alles“, dt. von Karl-Heinz Ebner, Suhrkamp, 440 Seiten, 18 Euro. E-Book: 15,99 Euro.

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