Bei Gelb wird es cholerisch, bei Schwarz melancholisch: Auf die Spur der Farben setzt sich „The Book of Colour Concepts 1686 – 1963“

Die „Farben-Kugel“ von Philipp Otto Runge (1777–1810) ist „das erste visuell überzeugende dreidimensionale Farbsystem“, wie es in „Colour“ heißt. Der Maler der Romantik stand mit Goethe im Austausch über die Farben – und vor der Veröffentlichung seines Buches hatte er dem Künstlerkollegen das Manuskript zur Prüfung geschickt. Foto: Taschen Verlag

Die Reise zu den Farben beginnt im 17. Jahrhundert. Mit Richard Wallers im Jahre 1686, der handgemalte Punkte in Buchform veröffentlicht hat. Auf seine Studie folgte eine Vielzahl von Versuchen, eine Ordnung in die Farben zu bringen. Einige der attraktivsten, skurrilsten und vor allem wichtigsten Veröffentlichung versammelt nun eine Prachtausgabe im Taschen Verlag. In zwei Bänden, vier Sprachen, anhand von 65 Buch-Porträts und mit mehr als 1000 Abbildungen wird die Geschichte der Farbtheorie vor Augen geführt. „The Book of Colour Concepts 1686 – 1963“ ist ein buntes Allerlei an Theorien und Systemen in Kreisen, Kugeln und Tabellen.

Kombiniert und gemischt

Es ist ja nicht so, dass es nicht schon in der Antike Versuche gegeben hätte, ein System der Farben zu entwickeln. Der Grieche Empedokles (494–434 v. Chr.) soll als einer der ersten über das Thema geschrieben haben, teilt Herausgeberin Alexandra Loske in „Colour“ mit. Und der griechische Arzt Hippokrates unterschied vier Farben, die den vier Grundsäften und Charakteren des Menschen entsprechen sollten: „So stand Weiß für phlegmatisch, Rot für sanguinisch, Gelb für cholerisch und Schwarz für melancholisch.“

Doch schon die Griechen des Altertums werden bemerkt haben, dass in Worte kaum zu fassen ist, was die Farben an Vielfalt zu bieten haben. Alexandra Loske schreibt: „Farben entgleiten uns leicht, sie verändern sich mit dem Licht, sehen je nach Tageszeit anders aus, verblassen, werden dunkler und können unkalkulierbar sein, wenn sie kombiniert, gemischt oder nebeneinandergesetzt werden.“ Mit Illustrationen hingegen kam und kommt man dem Spektrum schon näher.

„Ungleichheit der Geschlechter wird korrigiert“

Diese Farbgeschichte aus 400 Jahren – in der es auch um Musik, Spiritualität und Synästhesie geht – führt zu Meilensteinen und Raritäten. Darunter sind Isaac Newtons „Opticks“, das sich an eine breite Leserschaft richtete, und Johann Wolfgang von Goethes  „Zur Farbenlehre“, dessen Bedeutung „nicht hoch genug einzuschätzen“ sei. Ebenso erstrahlen Philipp Otto Runges dreidimensionale „Farben-Kugel“ und Johann Ferdinand von Schönfelds „Wiener Farbenkabinett“, dessen ausführlicher Titel so beginnt: „Musterbuch aller Natur-, Grund- und Zusammensetzungsfarben, wie solche seit Erfindung der Malerei bis auf gegenwärtige Zeiten gesehen worden, mit fünftausend nach der Natur gemalten Abbildungen, und der Bestimmung des Namens einer jeden Farbe, dann einer ausführlichen Beschreibung aller Farbengeheimnisse …“

Bei der Auswahl der Titel hat Kunsthistorikerin Alexandra Loske Wert darauf gelegt, „die historische Ungleichheit der Geschlechter in den Darstellungen über Farbliteratur zu korrigieren“. Daher werden zahlreiche Werke aus Frauenhand präsentiert. Zu diesen Autorinnen zählt die britische Blumenmalerin Mary Gartside. Sie veröffentlichte 1805 „An Essay on Light and Shade, on Colours, and on Composition in General“ („Ein Aufsatz über Licht und Schatten, über Farben und über Komposition im Allgemeinen“). Für die zweite  Fassung im Jahre 1808, darauf macht die Herausgeberin aufmerksam, änderte Mary Gartside  den Titel: „An Essay on a New  Theory of Colours“ („Ein Aufsatz über eine neue Farbenlehre“). Offenbar sei sie bestrebt gewesen, „die Ernsthaftigkeit ihrer Publikation“ hervorzuheben.

 „Wenn jemand ‚Rot‘ sagt“

Das Finale des Doppelpacks bestreitet Josef Albers mit seinem im Jahre 1963 publizierten Handbuch „Interaction of Color“, in dem er darzustellen versucht, „was zwischen den Farben geschieht“. Die deutsche Ausgabe beginnt mit diesen Worten: „Wenn jemand ‚Rot‘ sagt (als Bezeichnung einer Farbe) und wenn 50 Personen zuhören, darf man erwarten, dass 50 verschiedene Rot in ihrem Bewusstsein auftauchen. Man darf sicher sein, dass all diese Rot verschieden sind.“ 

So geht es in den beiden Bänden immerzu munter voran. Sie sind allen zu empfehlen, die sich für Kunst und Kunstgeschichte, für Bücherkunde und farbig imprägnierte Theorien interessieren. Dass das „Book of Colour Concepts“ selbst ein attraktives Schaustück ist, macht die Palette des Vergnügens perfekt.   

Martin Oehlen

Alexandra Loske (Hrsg.): „The Book of Colour Concepts 1686 – 1963“, Taschen Verlag, viersprachige Ausgabe (englisch, deutsch, französisch, spanisch), zwei Bände im Schuber, 846 Seiten, 150 Euro.

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