Pflanzenparadies mit Kaiserkrone und Kartoffel: Prachtausgabe von Basilius Beslers legendärem „Hortus Eystettensis“ aus der Barockzeit

Die Kaiserkrone (Corona Imperialis Polyanthos) sieht pompös aus und stinkt kräftig. Foto: Taschen Verlag

Die Schönheit der Schöpfung feiert Basilius Besler (1561–1629) in seinem „Hortus Eystettensis“. Der Apotheker versammelt darin all die Pflanzen, die sich einst im bischöflichen Garten zu Eichstätt befunden haben. Und einige mehr, die ihm zur Ausschmückung in den Sinn kamen. Denn darum ging es bei diesem bibliophilen Meisterwerk aus der Barockzeit: Die Pflanzen präsentieren, nicht zuletzt die exotischen wie Kartoffel und Sonnenblume, als befände sich an diesem Flecken über dem Altmühltal das Paradies auf Erden. Ein Schaustück erster Ordnung, das sich nicht so sehr als wissenschaftliches oder kräuterkundliches Handbuch verstand, sondern als Appell an die Sinnenfreude.

Ein Lustgarten für den Fürstbischof

Ein repräsentatives Tafelwerk sollte es sein – ein „Florilegium“. Nun liegt die ganze barocke Fülle der 367 handkolorierten und sorgfältig beschriebenen Illustrationen in einer dreibändigen Faksimile-Edition des Taschen Verlags vor. Aus diesem Haus der schönen Bücher ist zu hören: „Der vorliegende Nachdruck stellt eine Idealausgabe dar, die den ursprünglichen Vorstellungen von Verfasser und Auftraggeber voll entspricht und in der Forschung als normierte Zitiergrundlage zum leichten Identifizieren der Tafeln Verwendung finden soll.“

Am Anfang aller Pracht steht der Eichstätter Fürstbischof Johann Konrad von Gemmingen (1561–1612). Er hatte Basilius Besler aus Nürnberg ausgewählt, einen Lustgarten auf der Willibaldsburg anzulegen – gerade so, wie es in Italien Mode geworden war. Mehr als die Hälfte der Pflanzen, lesen wir, waren „in Deutschland beheimatet, knapp ein Drittel stammten aus dem Mittelmeerraum, etwa zehn Prozent aus Asien, vorwiegend Kleinasien und Ostindien, gut fünf aus Amerika, nur wenige Pflanzen kamen aus Afrika.“

Blumenpost nach Nürnberg

Das war ohne Frage eine Rarität, die dem Ansehen des Fürstbischofs zuträglich war. Um die Nachwelt wissen zu lassen, was er so alles auf bayerischem Boden gepflanzt hatte, wurde Basilius Besler außerdem damit betraut, das „bluemenwerckh“ des Lustgartens in Kupferstichen zu dokumentieren. So gingen „wochentlich eine oder zwo Schachteln voll frischer blumen“ zum Abmalen von Eichstätt nach Nürnberg. Allerdings war die Post wohl zuweilen säumig, was dem Zustand der Pflanzen abträglich war. Jedenfalls schreibt Basilius Besler, dass er sich einen kleinen Garten angelegt habe: „Nicht nur, um das Pflanzenstudium intensiver zu betreiben und meinem Gönner zu genügen, sondern auch, damit nötigenfalls die jeweiligen Pflanzen möglichst frisch für den Gebrauch (das Abzeichnen, Anm. d. Vf.) hergenommen werden könnten“.

Das Tafelwerk war eine blendende Idee. Denn der Garten zu Eichstätt wurde schon 1643 zerstört – von schwedischen Truppen im Dreißigjährigen Krieg. Der Eichstätter Bastionsgarten, der im Jahre 1998 als „Informationsgarten“ eröffnet wurde, versteht sich nicht als Nachfolger des „Hortus Eystettensis“. Vielmehr weist die Bayerische Schlösserverwaltung ausdrücklich darauf hin, dass er sich auf „die Pflanzenwelt des historisch bedeutenden Kupferstichwerkes“ bezieht. Wo gibt es das denn schon? Ein Garten zum Buch!

Erstausgabe so teuer wie ein Haus

Die Erstausgabe war ein verlegerischer Kraftakt. Drei unterschiedliche Editionen erschienen in einer Gesamtauflage von 300 Exemplaren. Die unkolorierte Ausgabe kostete 35 Gulden, die gebundene, aber ebenfalls unkolorierte Ausgabe 48 Gulden. Wer es farbig wollte, musste 500 Gulden bezahlen. Das war angeblich „so viel wie ein kleines Haus in der Stadt Nürnberg oder München“ kostete; und ein Gärtner in Eichstätt soll in jener Zeit ein Jahresgehalt von 60 Gulden bezogen haben.

Das Original von 1613 wog um die 14 Kilogramm – bei Taschen sind es immerhin noch 6,5 Kilogramm. Für die kulturhistorische Kommentierung sorgen zuverlässig Klaus Walter Littger, Leiter der Manuskript-Sammlung der Universität Eichstätt, und der Bamberger Pharmazie-Historiker Werner Dressendörfer.

„Zur Abwehr von Wühlmäusen“

Dass die botanische Forschung heute weit vorangeschritten ist, versteht sich von selbst. Und so verweisen die Autoren dezent auf gelegentliche Irrtümer im „Hortus Eystettensis“. Basilius Besler habe nicht so sehr zwischen dem botanisch Wesentlichen und dem botanisch Unwesentlichen unterschieden. Selbst farbliche Mutationen sind ihm eine Darstellung wert. Das „große Eichstättische gelbe Veil“, schreibt Klaus Walter Littger, sei halt „nichts als ein virenbefallener Goldlack.“ Und dass der Nürnberger Apotheker bei der Italienischen Artischocke die Stadt „Bologna“ mit dem Land „Polonia“ verwechselt hat – geschenkt!

Der „Hortus Eystettensis“ startet mit dem Buchsbaum, von dem es heißt, dass er für „Ewiges Leben“ stehe. Und er endet mit dem Frühlings-Krokus, der als „Hoffnung auf Wiederkehr“ gewürdigt wird. Zwischendrin über 1000 aufs Schönste herausgeputzte Pflanzen. Eine Versammlung der Zarten und der Kräftigen. Darunter ist auch die Corona Imperialis Polyanthos, die einen Stamm wie eine Eiche zu haben scheint und deren Blütenwust einem Feuerwerk gleicht. Doch Obacht bei dieser Kaiserkrone – sie sieht pompös aus, aber stinkt erheblich, „weshalb sie auch heute noch gerne zur Abwehr von Wühlmäusen gepflanzt“ wird.

Ewiger Frühling

Müssen wir noch erwähnen, dass die Taschen-Ausgabe aufs Feinste gestaltet ist? Die Farben leuchten, aber verdecken nicht die darunterliegende Feinzeichnung. Die Seiten sind dick und die Lesebändchen goldgelb, orange und champagnerweiß. Es gibt auch Tafeln zum Ausklappen. Kurzum – das Vergnügen speist sich aus vielen Details.

Die drei Bände sind nach Jahreszeiten geordnet. Kalendarisch umgibt uns gerade der Winter. Doch beim Schauen und Genießen wähnt man sich in einem permanenten Frühlingsglück.

Martin Oehlen

„Basilius Besler – The Garden at Eichstätt“, dreisprachige Ausgabe (englisch, deutsch, französisch), drei Bände im Schuber (6,54 Kilogramm), 1096 Seiten, 200 Euro.

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