Reale Fälle aus dem Schwurgericht: Hariett Drack schildert in elf Geschichten aus dem „Saal 210“ die dunklen Seiten der Menschen

Das Kölner Landgericht, in dem sich der Saal 210 befindet. Foto: Bücheratlas

Ein chinesischer Koch, dessen Überreste verpackt in Plastiksäcke am Rheinufer gefunden werden. Eine Asylantin, die ihre zweijährige Tochter mit einem Stöckelschuh erschlägt. Ein junger Mann, der seine bald 80-jährige Großmutter tötet. Keine Frage – Hariett Dracks True-Crime-Stories sind harte Kost und als Gute-Nacht-Lektüre daher nur bedingt geeignet. In „Saal 210 – Wenn Menschen morden“, ihrer Sammlung von True-Crime-Geschichten, schildert die Gerichtsreporterin elf spektakuläre Fälle aus dem Kölner Schwurgericht, dazu noch einige „üble Missetaten vor dem Amtsgericht“.

Warum wird ein Mensch zum Mörder?

40 Jahre hat die gebürtige Kölnerin für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ über Mord und Totschlag berichtet. Heute arbeitet sie als freie Autorin unter anderem für das Magazin „ZEIT Verbrechen“. Auch nach mehr als vier Jahrzehnten als Gerichts- und Polizeireporterin übe die Darstellung menschlicher Abgründe eine faszinierende Anziehung auf sie aus, erklärt sie ihre ungebrochene Lust, über die dunklen Seiten des Menschen zu berichten.

Hariett Dracks Fälle aus dem Schwurgericht, die an diesem Freitag erscheinen, sind weit mehr als simple Gerichtsberichte. Sie lege Wert darauf, schreibt sie, allen Beteiligten gerecht zu werden. Den Opfern. Den Täterinnen und Tätern. Den Angehörigen und den Zeugen. Warum wird ein Mensch zum Mörder? Welche Auswirkungen hat ein Verbrechen auf die Familien der Opfer? Und – hätte man die Tat verhindern können?

Psychisch auffällig seit Jahren

Eindringlich schildert sie die Vorgeschichte von Taya A., die aus Nigeria nach Deutschland kam und hier zur Mörderin ihres Kindes wurde. Psychisch auffällig sei sie schon seit Jahren gewesen, betont ihr ehemaliger Lebensgefährte und Vater der toten Destiny vor Gericht. Immer wieder habe er die Behörden auf die Gefahr aufmerksam gemacht, die von der psychotischen Mutter ausgehe. Geschehen sei nichts. Bis Taya A. ihre zweijährige Tochter mit einem Schuh erschlug.

Maurice H. war 23 Jahre alt, als er seine Großmutter erstach. Der junge Mann mit dem Kindergesicht, das Ergebnis einer flüchtigen Bekanntschaft, durchlitt eine Kindheit voller „Kälte, Verachtung und Gewalt“. Allein die Großmutter kümmerte sich um den vernachlässigten Jungen. Sie besteht auf einen wöchentlichen „Oma-Tag“ mit ihrem ersten Enkel. Mit 15 kommt Maurice in eine Pflegefamilie. Wird weitergereicht in eine Jugendeinrichtung. Entwickelt eine Zwangsstörung. Wird schließlich obdachlos. Der Einzug bei der resoluten Großmutter scheint eine Wendung zum Besseren zu bringen. Und endet, nachdem sie ihn einen faulen Hund gescholten hat, in einer Katastrophe.

Das Gift des Partners

Krankenpfleger Martin B. gibt den liebevollen Lebenspartner und freut sich angeblich auf die gemeinsame Tochter, mit der Theres S. schwanger ist. Da hat er bereits seine zweite Ehefrau und die Großmutter seiner gegenwärtigen Partnerin mit Thallium vergiftet. Auch Theres und ihr ungeborenes Kind geraten in Lebensgefahr. Sein Motiv ist bis heute ein Rätsel.      

Hariett Drack entschuldigt nichts. Keinen Mord, keinen Totschlag. Die Autorin hinterfragt die Dinge. Auf überzeugende Weise stellt sie klar, dass viele Faktoren nötig sind, um einen Menschen zum Täter zu machen. Genau das macht ihr Buch zu einer erschütternden und lohnenden Lektüre.

Petra Pluwatsch

Lesungen

der Autorin aus „Saal 210“:

Abgesagt wegen Krankheit sind die Lesungen am 26. 11. 2023 um 18 Uhr im Mülheimer Literaturclub und am 30. 11. um 20 Uhr in der City Buchhandlung Dormagen. Die Veranstaltungen sollen nachgeholt werden.

Noch fest in der Planung: am 2. 12. 2023 um 16.30 Uhr im Kölner Riesenrad am Schokoladenmuseum.

Hariett Drack: „Saal 210“ – Wenn Menschen morden“, Quadriga, 188 Seiten, 12 Euro. E-Book: 9,99 Euro. 

5 Gedanken zu “Reale Fälle aus dem Schwurgericht: Hariett Drack schildert in elf Geschichten aus dem „Saal 210“ die dunklen Seiten der Menschen

  1. Sonderbar! Ich bin Hariett Drack jahrzehntelang im Pressehaus, noch an der Breite STraße, im Aufzug zur Kantine froh begegnet, und immer war sie gut gelaunt und hat freundlich gegrüßt. Also auf zu den Lesungen, ganz ohne Angst!
    MB

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