Täufergemeinde in den Bergen: Vera Bucks Thriller „Wolfskinder“ führt in eine archaisch-abgeschlossene Welt

Foto: Bücheratlas

Ein paar windschiefe Holzhütten hoch oben in den Bergen, eine Kirche, die zu nahe am Abgrund gebaut ist. Kein Strom, kein Telefon, kein fließendes Wasser. Jakobsleiter heißt der gottverlassene Ort, und er ist auf keiner Landkarte verzeichnet.

Die Spinner und die Ungläubigen

Dort ist die letzte Täufergemeinde Europas zu Hause, eine Handvoll Männer und Frauen, die der Härte der Natur trotzen und nach ihren eigenen Regeln leben. Eine Stunde brauchen Jesse und Rebekka jeden Morgen für den beschwerlichen Abstieg hinunter nach Almenen, wo sie zur Schule gehen. Die übrigen Bewohner von Jakobsleiter meiden das Dorf im Tal, in dem die Ungläubigen wohnen und sie selber als Spinner verspottet werden. 

Vera Buck beschreibt in ihrem temporeichen Thriller „Wolfskinder“ eine archaische, in sich geschlossene Welt, in der alles möglich ist. Eines Tages verschwindet Rebekka während ihres Schulbesuchs in Almenen. Die 16-Jährige soll, so munkelt man im Dorf, mit dem Mitarbeiter einer Telefongesellschaft durchgebrannt sein. Auch die junge Lehrerin aus der Stadt ist nur wenige Tage nach ihrer Ankunft in Almenen wie vom Erdboden verschluckt. Eine Suchaktion bleibt erfolglos.

Indoktrination, Schuld und falsche Loyalität

Hat die psychisch labile Frau Selbstmord begangen? Und was ist mit den zahlreichen Wanderinnen, die in den vergangenen Jahren angeblich in den Bergen verunglückten und deren Leichen nie auftauchten?

Erzählt wird die Geschichte über Indoktrination, Schuld und falsche Loyalität aus wechselnden Perspektiven. Besonders beklemmend sind die Passagen aus dem Blickwinkel der kleinen Edith, einem stummen, vernachlässigten Kind, dem der Vater jedwede menschliche Regung aus dem Leib geprügelt hat. Ein bis zur letzten Seite spannendes Buch, als Gute-Nacht-Lektüre allerdings nur bedingt geeignet.   

Petra Pluwatsch

Vera Buck: „Wolfskinder“, Rowohlt, 416 Seiten, 17 Euro, E-Book: 4,99 Euro.

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